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Der Dunkle Turm 4 - Glas

Titel: Der Dunkle Turm 4 - Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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fünf oder sechs gewesen war, gab es da mal im Central Park einen Verrückten, der sich für einen Musiker hielt… Nun, es gab viele Verrückte im Central Park, die sich für Musiker hielten, aber das war der einzige gewesen, den Jake je gesehen hatte, der auf einem Werkzeug spielte. Der Bursche hatte ein Schild neben seinem umgedrehten Hut, auf dem stand: BESTER SÄGENSPIELER DER WELT! KLINGT NACH HAWAII, ODER ETWA NICHT? BITTE UM EINE MILDE GABE!
    Greta Shaw war bei Jake gewesen, als er den Sägenspieler zum ersten Mal gesehen hatte, und jetzt erinnerte sich Jake, wie hastig sie an dem Mann vorbeigeeilt war. Er hatte dagesessen wie der Cellist eines Symphonieorchesters, genau so, nur mit einer rostfleckigen Handsäge zwischen den gespreizten Beinen; Jake erinnerte sich an den komisch-entsetzten Gesichtsausdruck von Mrs. Shaw und ihre bebenden, zusammengepressten Lippen, als ob – ja, als ob sie gerade in eine Zitrone gebissen hätte.
    Dieses Geräusch war nicht exakt so wie das
    (KLINGT NACH HAWAII, ODER ETWA NICHT?)
    das der Typ im Park durch Vibrationen seiner Säge erzeugt hatte, aber fast: ein heulendes, zitterndes, metallisches Geräusch, bei dem einem zumute war, als würden einem die Stirnhöhlen voll laufen und die Augen gleich anfangen zu tränen. Kam es von irgendwo vor ihnen? Jake konnte es nicht sagen. Es schien von überall und nirgends zu kommen; gleichzeitig war es so leise, dass er es auch seiner Einbildung hätte zuschreiben können, wenn die anderen nicht…
    »Aufpassen!«, rief Eddie. »Helft mir, Leute! Ich glaube, er wird ohnmächtig!«
    Jake wirbelte zum Revolvermann herum und sah, dass dessen Gesicht so weiß wie Hüttenkäse über der staubigen Farblosigkeit seines Hemds geworden war. Seine Augen waren groß und wirkten leer. Einer der Mundwinkel zuckte spastisch, als würde ein Angelhaken darin stecken.
    »Jonas und Reynolds und Depape«, sagte er. »Die Großen Sargjäger. Und sie. Die Cöos. Sie waren diejenigen. Sie waren diejenigen, die…«
    Roland stand in seinen staubigen, rissigen Stiefeln auf dem Dach der Einschienenbahn und taumelte. Sein Gesicht zeigte den kläglichsten Ausdruck, den Jake je gesehen hatte.
    »O Susan«, sagte er. »O mein Liebling.«
     
     

    2
     
    Sie fingen ihn, bildeten einen schützenden Ring um ihn herum, und dem Revolvermann wurde ganz heiß vor Schuldgefühlen und Selbstekel. Was hatte er getan, um derart hingebungsvolle Beschützer zu verdienen? Was, einmal davon abgesehen, dass er sie so unbarmherzig wie ein Mann, der Unkraut in seinem Garten jätet, aus ihrem vertrauten Alltag herausgerissen hatte?
    Er versuchte ihnen zu sagen, dass alles in Ordnung sei, dass sie zurücktreten könnten, dass es ihm gut gehe, brachte aber keine Worte heraus; das schreckliche heulende Geräusch hatte ihn viele Jahre zurückversetzt, und zwar in jenem sackgassenartigen Canyon westlich von Hambry. Depape und Reynolds und der alte hinkende Jonas. Am meisten jedoch hasste er die Frau vom Berg, und zwar aus den schwarzen Tiefen der Gefühle, die nur ein sehr junger Mann erreichen konnte. Ah, aber wie hätte er etwas anderes tun können, als sie zu hassen? Sein Herz hatte man ihm gebrochen. Und nun, all die Jahre später, schien ihm das grässlichste Faktum menschlicher Existenz zu sein, dass gebrochene Herzen heilten.
    Zuerst durchfuhr mich’s: Lug ist, was er spricht,
    Der graue Krüppel mit dem tück’schen Blick…
    Wessen Worte? Wessen Gedicht?
    Er wusste es nicht, aber er wusste, dass auch Frauen lügen konnten; Frauen, die herumhüpften und grinsten und zu viel aus den Winkeln ihrer alten Triefaugen sahen. Es spielte keine Rolle, wer das Gedicht geschrieben hatte; diese Worte waren wahre Worte, und nur darauf kam es an. Weder Eldred Jonas noch die Vettel auf dem Berg hatten Martens Klasse gehabt – oder auch nur die von Walter –, was das Böse anlangte, aber sie waren böse genug gewesen.
    Dann, danach… in dem sackgassenartigen Canyon westlich der Stadt… dieses Geräusch… das, und die Schreie der verwundeten Männer und Pferde… Einmal in seinem Leben war selbst der stets unbeschwerte Cuthbert still gewesen.
    Aber das alles war lange her, in einem anderen Wann; im Hier und Jetzt war das heulende Geräusch entweder verstummt oder vorübergehend unter die Hörschwelle abgesunken. Aber sie würden es wieder hören. Das wusste er genauso gut, wie er wusste, dass er einen Weg beschritt, der ins Verderben führte.
    Er sah zu den anderen auf und brachte ein

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