Der Dunkle Turm 4 - Glas
215 hatte jemand in Schwarz gekritzelt:
Auf dem mit der Aufschrift NÄCHSTER R ASTPLATZ 10 M EILEN stand in dicken roten Buchstaben:
Das Scharlachrot war selbst nach dem ganzen Sommer noch zum Schreien grell. Beide Schilder waren mit einem Symbol geschmückt…
»Weißt du, was das Zeug bedeuten soll, Roland?«, fragte Susannah.
Roland schüttelte den Kopf, sah aber besorgt aus, und der verinnerlichte Ausdruck verschwand nicht aus seinen Augen.
Sie gingen weiter.
6
An der Stelle, wo die Zufahrt sich mit dem Highway vereinigte, versammelten sich die zwei Männer, der Junge und der Bumbler um Susannah in ihrem neuen Rollstuhl herum. Alle sahen nach Osten.
Eddie konnte sich nicht vorstellen, wie die Verkehrssituation außerhalb von Topeka aussehen würde, aber hier waren sämtliche Fahrspuren, die nach Westen und die nach Osten, mit Pkws und Lastwagen verstopft. Auf den meisten Fahrzeugen türmten sich Habseligkeiten, die der Regen einer ganzen Jahreszeit rostig gemacht hatte.
Aber der Verkehr war ihre geringste Sorge, als sie dort standen und stumm nach Osten sahen. Die Stadt erstreckte sich auf beiden Seiten rund eine halbe Meile – sie konnten Kirchtürme, eine Ladenzeile mit Imbissrestaurants (Arby’s, Wendy’s, McDonald’s, Pizza Hut und eines, von dem Eddie noch nie gehört hatte, Boing Boing Burgers), Autohandlungen und das Dach einer Bowlingbahn mit Namen Heartland Lanes erkennen. Voraus konnten sie eine weitere Ausfahrt von der Schnellstraße sehen, über die man dem zugehörigen Schild zufolge das Topeka State Hospital und die S.W. 6th erreichte. Jenseits der Ausfahrt befand sich ein gewaltiges altes Gebäude aus rotem Backstein mit winzigen Fenstern, die wie verzweifelte Augen aus wucherndem Efeu herausschauten. Eddie überlegte sich, dass ein Haus, das so sehr wie Attica aussah, ein Krankenhaus sein musste, wahrscheinlich die Art von Wohlfahrtsfegefeuer, wo arme Leute stundenlang in beschissenen Plastiksesseln saßen, damit ein Arzt vorbeikommen und sie wie den letzten Dreck behandeln konnte.
Hinter dem Krankenhaus hörte die Stadt unvermittelt auf, und die Schwachstelle begann.
Eddie fand, sie sah wie Brackwasser in einem weiten Sumpfland aus. Sie drängte sich silbern schimmernd auf beiden Seiten zum höher gelegenen Band der I-70 und ließ die Schilder und Leitplanken und liegen gebliebenen Autos wie Fata Morganas schimmern; jenes blubbernde Summen ging von ihr aus wie ein alles durchdringender Gestank.
Susannah hielt mit heruntergezogenen Mundwinkeln die Hände auf die Ohren. »Ich weiß nicht, ob ich das aushalten kann. Echt. Ich will nicht zickig sein, aber mir ist jetzt schon zum Kotzen zumute, und dabei hab ich den ganzen Tag noch nichts gegessen.«
Eddie erging es ähnlich. Und doch konnte er den Blick bei aller Übelkeit kaum von der Schwachstelle losreißen. Es war, als hätte das Unwirkliche… was bekommen? Ein Gesicht? Nein. Das riesige und summende silberne Wallen vor ihnen hatte kein Gesicht, sondern stellte sogar die Antithese eines Gesichts dar, aber es hatte einen Körper… einen Aspekt… eine Präsenz.
Ja; das war der beste Ausdruck. Es hatte eine Präsenz, so wie der Dämon, der in den Steinkreis gekommen war, als sie versucht hatten, Jake herüberzuziehen, eine Präsenz gehabt hatte.
Unterdessen kramte Roland in den Tiefen seiner Tasche. Er schien sich bis ganz nach unten vorzuarbeiten, bis er gefunden hatte, was er suchte: eine Hand voll Patronen. Er löste Susannahs Hand von der Armlehne und legte ihr zwei Patronen auf die Handfläche. Dann nahm er zwei weitere und steckte sie sich, das abgerundete Ende zuerst, in die Ohren. Susannah sah zunächst erstaunt drein, dann amüsiert, dann zweifelnd. Zu guter Letzt folgte sie seinem Beispiel. Fast im selben Moment nahm ihr Gesicht einen Ausdruck glückseliger Erleichterung an.
Eddie nahm seinen Rucksack von der Schulter und zog die halb volle Schachtel .44er heraus, die zu Jakes Ruger gehörten. Der Revolvermann schüttelte den Kopf und streckte die Hand aus. Es lagen immer noch vier Patronen darauf, zwei für Eddie und zwei für Jake.
»Was stimmt damit nicht?« Eddie schüttelte zwei Patronen aus der Schachtel heraus, die vormals unter den Hängeordnern in Elmer Chambers’ Schreibtischschublade gelegen hatte.
»Sie sind aus deiner Welt und werden das Geräusch nicht abhalten. Frag mich nicht, woher ich das weiß; es ist einfach so. Versuch es, wenn du willst, aber sie werden
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