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Der Dunkle Turm 4 - Glas

Titel: Der Dunkle Turm 4 - Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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aber nicht mehr der Fall war. Wegen der Schwachstelle. Sie näherten sich dieser Stelle unablässig, und sie merkte genau, wann sie sie passierten. Eine Art kribbelndes Erschauern durchlief sie, sodass sie ihre abgetrennten Beine anzog, und der Rollstuhl blieb einen Moment stehen. Als sie sich umdrehte, konnte sie sehen, wie Roland, Eddie und Jake sich den Bauch hielten und das Gesicht verzogen. Sie sahen aus, als hätten sie alle gleichzeitig Magenschmerzen bekommen. Dann richteten Eddie und Roland sich auf. Jake bückte sich und streichelte Oy, der ängstlich zu ihm aufgeschaut hatte.
    »Alles in Ordnung mit euch Jungs?«, fragte Susannah. Die Frage kam mit der halb quengelnden, halb humorvollen Stimme von Detta Walker heraus. Sie plante nie bewusst, diese Stimme einzusetzen; manchmal kam sie einfach so aus ihr heraus.
    »Ja«, sagte Jake. »Aber ich fühle mich, als hätte ich einen Kloß im Hals.« Er betrachtete die Schwachstelle nervös. Die silberne Leere umgab sie mittlerweile völlig, so als wäre die ganze Welt zu einem flachen Norfolk-Sumpf in der Morgendämmerung geworden. In der Nähe ragten Bäume aus der silbernen Oberfläche und warfen verzerrte Reflexionen, die nie ganz still oder scharf umrissen blieben. Ein wenig weiter entfernt konnte Susannah einen Getreidesilo erkennen, der zu schweben schien. Die Worte GADDISH FEEDS standen in rosa Buchstaben, die unter normalen Umständen wohl rot gewesen wären, auf der Seite.
    »Mir kommt es vor, als hätte ich einen Kloß im Kopf«, sagte Eddie. »Mensch, schaut euch an, wie diese Scheiße schimmert.«
    »Kannst du sie noch hören?«, fragte Susannah.
    »Ja. Aber ich kann es aushalten. Und du?«
    »Mhm. Gehen wir.«
    Es war, als würde man im offenen Cockpit eines Flugzeugs durch eine unterbrochene Wolkendecke fliegen, entschied Susannah. Sie schienen meilenweit durch diese summende Helligkeit zu gehen, die nicht ganz Nebel und nicht ganz Wasser war, sahen manchmal Umrisse darin aufragen (eine Scheune, einen Traktor, eine Werbetafel für Stuckey’s) und verloren schließlich alles wieder aus den Augen bis auf die Straße, die konstant auf der hellen, aber irgendwie einförmigen Oberfläche der Schwachstelle verlief.
    Dann kamen sie ganz unvermittelt heraus. Das Summen verklang zu einem fernen Rauschen; man konnte sogar die Patronen aus den Ohren nehmen und wurde nicht zu sehr behelligt, wenn man sich der anderen Seite der Lücke nicht zu sehr näherte. Es gab wieder Panoramen zu sehen…
    Nun, an sich war das zu großspurig ausgedrückt, es gab eigentlich keine richtigen Panoramen in Kansas, aber man konnte offene Felder und vereinzelt herbstbunte Bäume an einer Quelle oder Viehtränke erkennen. Kein Grand Canyon oder eine Brandung, die gegen das Portland Headlight toste, aber wenigstens konnte man in der Ferne einen wahrhaftigen Horizont ausmachen und dieses unangenehme Gefühl des Eingeschlossenseins teilweise abschütteln. Dann ging es wieder in die Suppe hinein. Jakes Beschreibung, dachte Susannah, traf es am besten: Es sei, hatte er gesagt, als würde man endlich das Hitzeflimmern erreichen, das man an heißen Tagen weit entfernt über dem Highway sehen könne.
    Was immer es war und wie auch immer man es beschreiben wollte, man befand sich mitten in einem klaustrophobischen Fegefeuer; die ganze Welt war verschwunden, abgesehen von dem doppelten Band der Straße und den Umrissen der Autos, die Schiffswracks auf einem gefrorenen Ozean glichen.
    Bitte hilf uns, hier herauszukommen, betete Susannah zu einem Gott, an den sie nicht mehr so richtig glaubte – sie glaubte zwar nach wie vor an etwas, aber seit sie am Ufer des Westlichen Meeres in Rolands Welt zu sich gekommen war, hatte sich ihre Vorstellung von der unsichtbaren Welt nachhaltig verändert. Bitte hilf uns, den Balken wieder zu finden. Bitte hilf uns, dieser Welt der Stille und des Todes zu entkommen.
    An einem Hinweisschild mit der Aufschrift B IG S PRINGS 2 M I . kamen sie zu der größten freien Stelle bislang. Hinter ihnen, im Westen, schien die untergehende Sonne durch eine vorübergehende Öffnung in den Wolken, hüllte den oberen Rand der Schwachstelle in scharlachrotes Glühen und setzte die Heckscheiben und Rücklichter der liegen gebliebenen Autos in Brand. Auf beiden Seiten erstreckten sich menschenleere Felder. Volle Erde ist gekommen und gegangen, dachte Susannah. Ernte ist auch gekommen und vergangen. Das ist es, was Roland Jahresausklang nennt. Sie erschauerte bei dem

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