Der Dunkle Turm 7 - Der Turm
um nicht in Schluchzen auszubrechen.
Susannah hörte ruhig zu, als Roland mit ihr sprach: neben dem Bett sitzend, die Hände auf dem Schoß gefaltet, den Blick gesenkt. Dem Revolvermann erschien sie wie eine schüchterne Jungfrau, die einen Heiratsantrag erhielt.
Als er fertig war, äußerte sie sich nicht dazu.
»Hast du verstanden, was ich dir erklärt habe, Susannah?«
»Ja«, sagte sie, noch immer ohne aufzusehen. »Ich soll meinen Mann begraben. Ted und Dinky werden mir dabei helfen, wenn auch nur, um zu verhindern, dass ihre Freunde …« Sie gab diesem Wort eine kleine bitter-sarkastische Betonung, die Roland sogar etwas ermutigte. Sie schien weiter im Leben zu stehen. »… ihn mir wegnehmen und am nächsten Baum aufknüpfen, als wäre er gelyncht worden.«
»Und danach?«
»Danach kommt ihr wieder hierher, und wir kehren gemeinsam nach Fedic zurück, oder Ted und Dinky setzen mich in den Zug, damit ich allein hinfahren kann.«
Jake war die seltsame Teilnahmslosigkeit in ihrer Stimme nicht nur höchst zuwider; sie ängstigte ihn auch. »Du weißt, weshalb wir zurück nach drüben müssen, oder?«, fragte er besorgt. »Ich meine, du weißt’s doch, oder?«
»Um den Schriftsteller zu retten, solange noch Zeit ist.« Sie hatte nach einer von Eddies Händen gegriffen, und Jake bemerkte fasziniert, dass seine Fingernägel tadellos sauber waren. Wie sie das wohl geschafft hatte, fragte er sich – hatte der Präfekt etwa einen kleinen Nagelknipser von der Art gehabt, wie sein Vater ihn stets an einer Schlüsselkette in der Hosentasche getragen hatte? »Sheemie sagt, dass wir den Balken von Bär und Schildkröte gerettet haben. Wir glauben sogar, dass wir die Rose gerettet haben. Aber es gibt dort noch mindestens einen Auftrag zu erledigen. Er betrifft den Schriftsteller. Den Faulpelz von Schriftsteller.« Jetzt sah sie auf, und in ihren Augen blitzte es. Jake dachte plötzlich, dass es vielleicht sogar gut war, dass Susannah nicht bei ihnen sein würde, wenn – falls – sie Sai Stephen King gegenübertraten.
»Rettet ihn man lieber«, sagte sie. Roland wie Jake konnten hören, wie die alte Einschleichdiebin Detta sich in ihre Stimme drängte. »Nach allem, was heute passiert is, solltet ihr ihn lieber rettn. Und diesmal sagst du ihm, dass er nich mehr aufhörn darf, seine Geschichte zu schreiben. Ganz egal, was kommt: Hölle, Hochwasser, Krebs oder Pimmelfaulbrand. Er soll auch keine Gedanken an den Pulitzerpreis verschwenden. Sag ihm, dass er weitermachn und seine beschissene Story zu Ende bringen soll.«
»Ich werde die Botschaft weitergeben«, sagte Roland.
Sie nickte.
»Und du wirst zu uns stoßen, sobald dieser Auftrag ausgeführt ist«, sagte Roland mit beim letzten Wort leicht gehobener Stimme, die daraus fast eine Frage machte. »Du kommst dann mit uns und führst gemeinsam mit uns den letzten Auftrag aus, oder nicht?«
»Ja«, sagte sie. »Und zwar nicht, weil ich das möchte – mein ganzer Mut ist flöten –, sondern weil er wollte, dass ich’s tue.« Sanft, ganz sanft legte sie Eddies Hand wieder zur anderen auf dessen Brust. Dann zeigte sie mit einem Finger auf Roland. Die Fingerspitze zitterte kaum wahrnehmbar. »Fang bloß nicht wieder mit dem Scheiß an, von wegen wir sind ka-tet, eins aus vielen. Die Zeiten sind nämlich vorbei. Hab ich Recht?«
»Ja«, sagte Roland. »Aber der Turm steht noch immer. Und wartet.«
»Darauf bin ich auch nicht mehr scharf, großer Macker.« Nicht ganz Dettas Tonfall, aber beinahe. »Wenn du mal die Wahrheit hören willst.«
Aber Jake merkte, dass sie nicht die Wahrheit sagte. Sie hatte ihre Begierde, den Dunklen Turm zu Gesicht zu bekommen, so wenig eingebüßt wie Roland. So wenig wie Jake selbst. Ihr Tet mochte zerbrochen sein, aber das Ka blieb. Und sie spürte es so stark wie ihre Gefährten.
15
Sie küssten sie (und Oy leckte ihr kurz über die Wange), bevor sie gingen.
»Pass gut auf dich auf, Jake«, sagte Susannah. »Komm heil wieder, hörst du? Eddie hätte dir nichts anderes gesagt.«
»Ich weiß«, murmelte Jake und küsste sie dann noch einmal. Er lächelte, weil er zu hören glaubte, wie Eddie ihn ermahnte, auf seinen Arsch aufzupassen, der schon einen Spalt habe, und begann wieder zu weinen. Susannah hielt ihn noch einen Augenblick länger an sich gedrückt, dann wandte sie sich wieder ihrem Mann zu, der so still und kalt im Bett des Präfekten lag. Jake begriff, dass sie im Augenblick wenig Zeit für Jake Chambers
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