Der Dunkle Turm 7 - Der Turm
die drei überquerten, eine Wiese sein, aber jetzt verschwand es unter einer brusthohen Schneeschicht. Der Schlitten war nun leichter zu ziehen, weil ihr Weg endlich einmal bergab führte. Roland wagte tatsächlich zu hoffen, dass das Schlimmste vorüber war. Dabei war die Durchquerung der Weißen Lande gar nicht so schlimm gewesen – wenigstens bisher nicht. Hier gab es reichlich Wild, Holz für ihr nächtliches Feuer war überall zu finden, und wenn das Wetter umschlug und Schneestürme wüteten, wie es schon viermal der Fall gewesen war, hatten sie sich einfach verkrochen und abgewartet, bis die Stürme sich über den sich nach Südosten hinziehenden bewaldeten Bergketten ausgetobt hatten. Das taten sie irgendwann immer, wenngleich der wildeste dieser Schneestürme zwei volle Tage lang gedauert hatte, und als sie danach auf den Pfad des Balkens zurückkehrten, war die Schneedecke um einen Meter Neuschnee angewachsen. Auf freien Flächen, wo der heulende Nordostwind ungehindert wüten konnte, gab es Schneeverwehungen, die wie Meereswellen aussahen. Einige davon begruben selbst hohe Tannen bis fast zu den Wipfeln.
Nach ihrem ersten Tag in den Weißen Landen, an dem Roland sich ziemlich anstrengen musste, um sie zu ziehen (und dort lag der Schnee noch keinen Viertelmeter hoch), wurde Susannah klar, dass die Überquerung dieser hohen, bewaldeten Bergketten monatelang dauern würde, wenn Roland nicht ein Paar Schneeschuhe hatte; deshalb begann sie gleich am ersten Abend, ihm ein Paar zu machen. Die Herstellung war ein Versuch-und-Irrtum-Prozess (»bis es halt irgendwann klappt«, sagte Susannah), aber der Revolvermann bezeichnete bereits die dritte Ausführung als Erfolg. Die Rahmen bestanden aus biegsamen Birkenzweigen, das Innere aus einem Geflecht aus Hirschlederstreifen. Für Roland sahen die Dinger wie Tränentropfen aus.
»Woher wusstest du, wie solche Dinger aussehen?«, fragte er sie, nachdem er die Schneeschuhe erstmals einen Tag lang erprobt hatte. Seine Tagesleistung hatte sich geradezu verblüffend erhöht, vor allem nachdem er sich einen wiegenden Seemannsgang angewöhnt hatte, der verhinderte, dass sich auf den geflochtenen Schuhoberflächen Schnee ansammelte.
»Fernsehen«, sagte Susannah. »Als Teenager habe ich mir oft die Serie Sergeant Preston angesehen. Sergeant Preston hatte zwar keinen Billy-Bumbler, der ihm Gesellschaft geleistet hat, aber dafür hatte er seinen treuen Hund King. Jedenfalls habe ich einfach die Augen zugemacht und mich zu erinnern versucht, wie die Schneeschuhe dieses Kerls ausgesehen haben.« Sie zeigte auf die, die Roland trug. »Besser krieg ich’s nicht hin.«
»Sie sind sehr gut geworden«, sagte er, und die Aufrichtigkeit, die sie aus diesem schlichten Kompliment heraushörte, ließ ein Kribbeln durch sie hindurchlaufen. Das war nicht unbedingt das Gefühl, das Roland (oder irgendein anderer Mann, was das anging) in ihr hervorrufen sollte, aber irgendwie konnte sie nicht aus ihrer Haut. Sie fragte sich, ob das angeboren oder anerzogen war, wusste gleichzeitig aber nicht recht, ob sie’s überhaupt wissen wollte.
»Sie sind in Ordnung, solange sie nicht auseinander fallen«, sagte sie. Genau das hatten nämlich die beiden ersten Ausführungen getan.
»Ich merke nichts davon, dass die Lederstreifen sich ablösen«, sagte er. »Sie dehnen sich vielleicht etwas, aber das ist auch schon alles.«
Als sie jetzt die weite freie Fläche überquerten, hielt dieses dritte Paar Schneeschuhe noch immer, und weil Susannah auf diese Weise das Gefühl hatte, auch einen Beitrag geleistet zu haben, konnte sie sich ohne allzu große Schuldgefühle von Roland ziehen lassen. Manchmal fragte sie sich, was wohl mit Mordred sein mochte, und als sie seit ungefähr zehn Tagen in den Weißen Landen unterwegs waren, nahm sie eines Abends ihren Mut zusammen und forderte Roland auf, ihr zu erzählen, was er alles von ihm wusste. Dazu hatte sie seine Mitteilung veranlasst, sie brauchten jetzt nicht mehr abwechselnd zu wachen, zumindest in nächster Zeit nicht; sie könnten beruhigt beide zehn Stunden lang durchschlafen, wenn ihr Körper das brauchte. Oy würde sie schon wecken, falls das nötig war.
Roland, der mit um die Knie geschlungenen Armen und locker gefalteten Händen dasaß, seufzte und starrte fast eine volle Minute lang stumm ins Feuer. Sie hatte sich schon beinahe damit abgefunden, dass er nicht antworten würde, da sagte er auf einmal: »Er folgt uns nach wie vor, bleibt aber
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