Der Dunkle Turm 7 - Der Turm
wen wunderte das? Er gehörte nicht zu den Vampiren, die vom Blut ihrer Opfer lebten. Schließlich waren sie hier in Empathica. Das Gesicht, das diese Zähne umgab, veränderte sich nun: Es wurde dunkler, zog sich zusammen, verwandelte sich in etwas, was nichts Menschenähnliches mehr an sich hatte. Es war das Gesicht eines psychotischen Clowns.
»Du«, sagte er, aber bevor er weitersprechen konnte, war Oy wieder bei ihm. Diesmal brauchte der Bumbler nicht zuzubeißen, weil ihr Gastgeber noch immer torkelte. Oy duckte sich nur hinter den Füßen des Wesens zusammen, und Dandelo fiel über ihn, wobei seine Flüche abrupt verstummten, als er mit dem Kopf aufschlug. Wäre der Flickenteppich nicht gewesen, der den Hartholzboden bedeckte, hätte er bei diesem Sturz vermutlich das Bewusstsein verloren. Aber so richtete er sich fast augenblicklich wieder auf und sah sich in sitzender Haltung benommen um.
Susannah kniete neben Roland, der sich ebenfalls aufzusetzen versuchte, was ihm jedoch nicht so gut gelang. Sie griff nach seinem Revolver, aber er hielt ihre Hand fest, bevor sie die Waffe aus dem Holster ziehen konnte. Als Dandelos Schatten über sie fiel, fühlte Susannah sich einer Panik nahe – reiner Instinkt, den man aber nicht einfach abstreifen konnte.
»Du Schlampe, ich werd dich lehren, einen Mann zu unterbrechen, wenn er …«
»Roland, lass los!«, kreischte sie, und er ließ los.
Dandelo ließ sich fallen, wollte auf Susannah landen und den Revolver zwischen ihnen einklemmen, aber sie war etwas zu schnell für ihn. Sie wälzte sich zur Seite, sodass er stattdessen auf Roland landete. Susannah hörte ein gequältes Uff!, weil dem Revolvermann, der kaum wieder zu Atem gekommen war, nun der letzte Rest Luft aus der Lunge gepresst wurde. Sie richtete sich, keuchend auf einen Ellbogen gestützt, auf und zielte mit dem Revolver auf das obenauf liegende Wesen, in dem irgendeine grausige rasche Veränderung unterhalb seiner Kleidung vorging. Dandelo hob die Hände. Sie waren leer. Natürlich waren sie das, immerhin gebrauchte er nicht seine Hände, um zu töten. Während er das tat, liefen seine Gesichtszüge zusammen und wurden immer flächenhafter – bis überhaupt keine Gesichtszüge mehr da waren, sondern nur Markierungen wie auf einem Tierfell oder Insektenpanzer.
»Halt!«, rief er mit einer Stimme, die höher geworden war und an das Schrillen einer Zikade erinnerte. »Ich will dir den vom Erzbischof und dem Revuegirl erzählen!«
»Kenn ich schon«, sagte sie und drückte zweimal ab, sodass eine Kugel der anderen unmittelbar über der Stelle, wo das rechte Auge gesessen hatte, in das Gehirn ihres Gegners folgte.
2
Roland rappelte sich torkelnd auf. Das Haar klebte ihm schweißnass an den Seiten des aufgedunsenen Gesichts. Als Susannah seine Hand ergreifen wollte, machte er eine abwehrende Bewegung und stolperte zur Tür des kleinen Häuschens, das ihr jetzt schmuddelig und schlecht beleuchtet erschien. Sie sah Essensreste auf dem Teppich und einen großen Feuchtigkeitsfleck an einer Wand. Waren diese Dinge schon vorher da gewesen? Und großer Gott im Himmel, was hatten sie eigentlich zu Abend gegessen? Sie überlegte sich, dass sie das lieber nicht wissen wollte, solange ihr davon nicht schlecht wurde. Solange es nicht vergiftet gewesen war.
Roland von Gilead zog die Haustür auf. Der Wind riss sie ihm aus der Hand und ließ sie an die Flurwand knallen. Er stolperte zwei Schritte in den heulenden Schneesturm hinaus, beugte sich mit auf die Knie gestützten Händen nach vorn und übergab sich. Sie sah, wie der Wind den Strom von Erbrochenem in die Dunkelheit davontrug. Als Roland wieder hereinkam, waren Haar, Gesicht und Kleidung ganz voll geschneit. In dem Landhäuschen war es zum Ersticken heiß; auch das war etwas, worüber Dandelos Glammer sie bisher hinweggetäuscht hatte. Sie sah, dass der Thermostat – ein schlichter alter Honeywell, nicht viel anders als der in ihrer Wohnung in New York – noch an der Wand hing. Als sie die Einstellung kontrollierte, sah sie, dass er bis zum Anschlag nach rechts gedreht war – sogar über die 30-Grad-Marke hinaus. Sie stellte ihn mit einem Finger auf zweiundzwanzig Grad zurück, dann drehte sie sich um und begutachtete den Raum. Der offene Kamin war in Wirklichkeit doppelt so groß, wie er ihnen erschienen war, und so voller Holzscheite, dass er wie ein Hochofen brauste. Dagegen ließ sich vorerst nichts machen, das Feuer würde irgendwie von
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