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Der Dunkle Turm 7 - Der Turm

Titel: Der Dunkle Turm 7 - Der Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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Es war ein erzählendes Gedicht mit dem Reimschema einer Ballade (a-b-b-a-a-b) und vierunddreißig Verse lang. Jeder Vers war mit einer römischen Ordnungszahl bezeichnet. Irgendjemand – vermutlich King – hatte die Ziffern I, II, XIII, XIV und XVI umringelt.
    »Lies die gekennzeichneten Verse vor«, sagte er heiser, »ich kann nämlich nur einzelne Wörter entziffern, möchte aber wissen, was hier steht, möchte es sehr wohl wissen.«
    »Vers Nummer eins«, begann sie, dann musste sie sich räuspern. Ihre Kehle war trocken. Draußen heulte der Wind, und die nackte Glühbirne über ihnen flackerte in ihrer mit Fliegendreck übersäten Fassung.
     
    »Zuerst durchfuhr mich’s: Lug ist, was er spricht,
    Der weißgeharrte Krüppel, dessen Blicke
    Voll Bosheit schielen, ob die Lüge glücke;
    Wie zuckt der falsche Mund, als trüg er’s nicht
    Den Hohn zu hehlen, der verdammte Wicht,
    Ob diesem neuen Opfer seiner Tücke!«
     
    »Collins«, sagte Roland. »Wer das geschrieben hat, hat von Collins gesprochen, so gewiss wie King in seinen Geschichten jemals von unserem Ka-Tet gesprochen hat! ›Lug ist, was er spricht!‹ Aye, jedes Wort eine Lüge!«
    »Nicht Collins«, sagte sie. »Dandelo.«
    Roland nickte. »Dandelo, gewisslich wahr. Weiter.«
    »Okay, Vers Nummer zwei.
     
    Wozu stand er mit seinem Stab sonst da,
    Als daß er allen Wandrern Schlingen lege,
    Die gläubig ihn befragt um Pfad’ und Stege?
    Sein schädelgleiches Lachen hört’ ich, sah
    Im Geist die Krücke meine Grabschrift, ha!
    Kritzeln, zum Zeitvertreib, im staub’gen Wege.«
     
    »Erinnerst du dich an seinen Stock – und wie er ihn geschwenkt hat?«, fragte Roland sie.
    Natürlich tat sie das. Und der Weg war nicht staubig, sondern verschneit gewesen, aber sonst stimmte alles. Sonst war dies eine genaue Beschreibung dessen, was ihnen gerade zugestoßen war. Dieser Gedanke ließ sie erschauern.
    »Hat dieser Dichter zu deiner Zeit gelebt?«, fragte Roland. »In deinem Wann?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nicht mal in meinem Land. Er ist mindestens sechzig Jahre vor meinem Wann gestorben.«
    »Trotzdem muss er gesehen haben, was sich vorhin ereignet hat. Zumindest eine Version davon.«
    »Ja. Und Stephen King hat das Gedicht gekannt.« Sie hatte plötzlich eine Intuition, die zu hell erstrahlte, um etwas anderes als die Wahrheit sein zu können. Sie starrte Roland mit wildem, erschrockenen Blick an. »Dieses Gedicht hat King zu allem angeregt! Es war seine Inspiration!«
    »Sagst du das, Susannah?«
    »Ja!«
    »Trotzdem muss dieser Browning uns gesehen haben.«
    Das konnte sie nicht sagen. Alles war jetzt viel zu verwirrend. Wie die Frage, was zuerst da war, die Henne oder das Ei. Oder als ob man sich in einem Spiegelkabinett verirrt hätte. Sie fühlte sich leicht schwindelig.
    »Lies den nächsten Vers vor, Susannah! Lies X-I-I-I vor.«
    »Das ist Vers Nummer dreizehn«, sagte sie.
     
    »Spärlich das Gras, wie Aussatzkranker Haar;
    Im Kote, der mit Blut verknetet schien,
    Stak hier und da ein kläglich Hähnchen drin.
    Ein blindes Pferd, des Glieder steif und starr,
    Stand staunend, wie’s hierher verschlagen war:
    Alt und verbraucht, hieß es der Teufel ziehn.
     
    Und jetzt bist du dran, Vers Nummer vierzehn.
     
    Ob es noch lebt? Es stand vielleicht seit Stunden,
    Den roten hagern Hals weit vorgereckt,
    Von rost’ger Mähne dicht das Aug’ verdeckt;
    War je solch Grau’n mit solchem Leid verbunden?
    So tiefen Abscheu hatt’ ich nie empfunden:
    Es war verdammt, sonst hätt’ es Weh geweckt!«
     
    »Lippy«, sagte der Revolvermann und wies mit einem Daumen über die Schulter. »Jener Klepper, mit schwieligem Hals und allem, nur dass er eine Stute ist.«
    Susannah gab keine Antwort – brauchte auch keine zu geben. Natürlich war das Lippy: blind und knochig, ihr Hals an einigen Stellen rosa aufgescheuert und schwielig. Ich weiß, sie ist ein hässliches altes Ding, hatte der alte Mann gesagt … jenes Wesen, das wie ein alter Mann ausgesehen hatte. Du alte Ki’abteilung, du elender Klepper, du verlorene vierbeinige Aussätzige! Und hier stand es schwarz auf weiß, in einem Gedicht, das sogar lange vor Sai Kings Geburt geschrieben worden war, vielleicht achtzig oder hundert Jahre früher: spärlich … wie Aussatzkranker Haar.
    »›Alt und verbraucht, ließ es der Teufel ziehn!‹«, sagte Roland und lächelte grimmig. »Und bevor wir von hier fortgehen, schicken wir sie wieder zum Teufel.«
    »Nein«, sagte sie. »Das werden wir

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