Der Dunkle Turm 7 - Der Turm
er sich den Bauch hielt und ho-ho-ho! machte; er wiederholte die Weinpantomime, bei der er sich Tränen von den fast bartlosen Wangen wischte; diesmal fügte er jedoch noch eine dritte Pantomime hinzu, indem er die Hände wie schaufelnd zum Mund bewegte und dabei Schmatzlaute von sich gab.
Zwei Schritte hinter Susannah sagte Roland: »Er hat dich zum Lachen gebracht, er hat dich zum Weinen gebracht, er hat dich essen lassen.«
Patrick schüttelte den Kopf so heftig, dass er gegen die Steinmauern schlug, die seine Ecke seitlich begrenzten.
»Er hat gefressn«, sagte Detta. »Das versuchst du zu sagen, stimmt’s? Dandelo hat gefressn.«
Patrick nickte eifrig.
»Er hat dich zum Lachn gebracht, er hat dich zum Weinen gebracht, und dann hat er gefressn, was rausgekommen is. Weil er genau das immer tut!«
Patrick nickte wieder und brach dann in Tränen aus, wobei er unverständliche Klagelaute von sich gab. Susannah arbeitete sich langsam in die Zelle vor und schob sich dabei auf den Handflächen vorwärts, hielt sich aber bereit, sofort den Rückzug anzutreten, falls er wieder begann, sich den Kopf anzuschlagen. Was er diesmal nicht tat. Als sie den Jungen in der Ecke erreichte, legte er ihr sein kühles Gesicht auf den Busen und weinte. Susannah drehte sich halb um, sah Roland an und signalisierte ihm wortlos, dass er nun hereinkommen könne. Als Patrick zu ihr aufsah, sprach aus seinem Blick stumme, hündische Bewunderung.
»Du brauchst keine Angst zu haben«, sagte Susannah – Detta war wieder fort, war vermutlich von all dem Nettsein erschöpft. »Er kann dir nichts mehr tun, Patrick, er ist tot, mausetot. Hör zu, ich möchte, dass du etwas für mich tust. Ich möchte, dass du den Mund aufmachst.«
Patrick schüttelte den Kopf. In seinem Blick lag wieder Angst, aber auch etwas, dessen Anblick ihr noch verhasster war. Scham.
»Doch, Patrick, doch. Mach den Mund auf.«
Er schüttelte so heftig den Kopf, dass sein fettiges langes Haar wie ein Mopp von einer Seite zur anderen flog.
»Was …«, begann Roland.
»Pst!«, machte Susannah unwillig nach hinten und wandte sich dann wieder dem Jungen zu. »Mach den Mund auf, Patrick, und zeigs uns. Dann bringen wir dich hier raus, und du brauchst nie wieder hierher zurück. Brauchst dich nie mehr von Dandelo aussaugen zu lassen.«
Patrick sah sie flehend an, aber Susannah erwiderte nur seinen Blick. Endlich schloss er die Augen und öffnete langsam den Mund. Seine Zähne waren da, aber die Zunge fehlte. Die Stimme des Gefangenen – oder zumindest die Worte, die er sprach – musste Dandelo irgendwann so lästig geworden sein, dass er ihm die Zunge herausgerissen hatte.
7
Zwanzig Minuten später standen die beiden an der Küchentür und sahen Patrick Danville dabei zu, wie er eine Schale Suppe aß. Wenigstens die Hälfte ging über das graue Hemd des Jungen, aber Susannah fand, dass das nicht weiter schlimm war; in der Speisekammer standen reichlich Suppendosen, und in jenem Schlafraum der Hütte gab es auch weitere Hemden. Ganz zu schweigen von Collins’ schwerem Parka, der in dem kleinen Vorraum an einem Haken hing und in Zukunft wohl von Patrick getragen werden würde. Was die Überreste Dandelos – des ehemaligen Joe Collins – betraf, so hatten sie die in drei Decken gewickelt und ohne weitere Umstände in den Schnee hinausbugsiert.
»Dandelo war ein Vampir, der nicht von Blut, sondern von Emotionen gelebt hat«, sagte Susannah. »Patrick hier … Patrick war seine Kuh. Es gibt zwei Möglichkeiten, sich von einer Kuh zu ernähren: Fleisch oder Milch. Das Dumme an Fleisch ist, dass es fort ist, sobald man die besten Stücke, die nicht ganz so guten Stücke und schließlich die Kutteln gegessen hat. Wenn man sich dagegen mit der Milch begnügt, kann man endlos lange weitermachen … immer vorausgesetzt, dass man die Kuh gelegentlich selbst füttert.«
»Wie lange, glaubst du, ist er dort unten eingesperrt gewesen?«, fragte Roland.
»Keine Ahnung.« Aber sie erinnerte sich an den Staub auf der Azetylenflasche, erinnerte sich sehr wohl daran. »Jedenfalls ziemlich lange. Dem armen Kerl muss es wie eine Ewigkeit vorgekommen sein.«
»Und es hat wehgetan.«
»Schrecklich. Aber so schmerzhaft es auch gewesen sein muss, als Dandelo dem armen Jungen die Zunge herausgerissen hat … die emotionale Blutsaugerei war bestimmt schlimmer. Du siehst ja, in welchem Zustand er ist.«
Das sah Roland allerdings. Er sah auch noch etwas anderes. »Wir
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