Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Dunkle Turm 7 - Der Turm

Titel: Der Dunkle Turm 7 - Der Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
Vom Netzwerk:
darauf vorbereitet gewesen, sein Geheimnis zu wahren, falls doch jemand vorbeikam. Und sie nahm an, dass gelegentlich tatsächlich irgendwelche Folken vorbeigekommen waren. Sie vermutete allerdings, dass für viele, wenn nicht für alle, die kleine Hütte in der Odd Lane die Endstation gewesen war.
    Eine schmale, steile Treppe führte nach unten. Roland tastete innen neben dem Türrahmen herum und fand schließlich den Lichtschalter. Sofort flammten zwei nackte Glühbirnen auf – eine auf halber Treppe, die andere unten im Keller. Wie als Antwort auf das Licht ertönte wieder der Schrei. Er war voller Angst und Schmerz, enthielt aber keine Wörter. Der Klang ließ Susannah erzittern.
    »Komm ans untere Ende der Treppe, wer immer du bist!«, rief Roland.
    Keine Reaktion von unten. Draußen frischte der Wind wieder auf, und eine heranheulende Bö trieb mit solcher Gewalt Schnee gegen das Haus, dass er wie Sand klang.
    »Komm hervor, damit wir dich sehen können, sonst lassen wir dich, wo du bist!«, rief Roland.
    Der Kellerbewohner kam aber nicht ins kümmerliche Licht, sondern stieß erneut einen Schrei aus, der voller Schmerz und Entsetzen und – wie Susannah befürchtete – Wahnsinn war.
    Roland sah sich nach ihr um. Sie nickte ihm zu und flüsterte: »Geh du voraus. Ich gebe dir Feuerschutz, wenn’s nötig ist.«
    »Pass auf die Stufen auf, damit du nicht fällst«, sagte er ebenso leise.
    Sie nickte noch einmal und machte dann seine ungeduldig kreisende Handbewegung nach: Los, los, weiter!
    Der Revolvermann musste lächeln. Gleich darauf stieg er die Treppe hinunter, hielt dabei den Lauf seiner Waffe ans rechte Schlüsselbein gelegt und sah für einen Augenblick Jake Chambers derart ähnlich, dass Susannah hätte weinen können.
     
     
    6
     
    Der Keller war ein Labyrinth aus Kisten und Fässern und in Stoff gehüllten länglichen Gegenständen, die an Haken von der Decke herabhingen. Susannah wollte lieber nicht wissen, was diese hängenden Gegenstände waren. Der Schrei erklang wieder: eine Mischung aus Schluchzen und Kreischen. Über ihnen, nun nur noch schwach und gedämpft, war das Heulen und Brausen des Windes zu hören.
    Roland wandte sich nach links und folgte einem im Zickzack verlaufenden Gang zwischen Kisten, die auf beiden Seiten bis in Kopfhöhe aufgestapelt waren. Susannah blieb mit reichlich Abstand hinter ihm und sah sich immer wieder über die Schulter um. Zugleich horchte sie aufmerksam nach oben, um einen etwaigen Alarmruf Oys nicht zu überhören. Unterwegs sah sie einen Stapel Kisten, die mit TEXAS INSTRUMENTS beschriftet waren, und einen aus Kisten, auf denen in Schablonenschrift HO FAT CHINESE FORTUNE COOKIE CO. stand. Sie war keineswegs überrascht, hier den Scherznamen ihres längst zurückgelassenen Taxis zu sehen; überraschen konnte sie schon lange nichts mehr.
    Auf einmal blieb Roland abrupt stehen. »Tränen meiner Mutter«, sagte er mit leiser Stimme. Diesen Ausdruck hatte sie erst einmal von ihm gehört, nämlich als sie auf eine in eine Schlucht gestürzte Hirschkuh gestoßen waren, die mit gebrochenen Hinterläufen und einem gebrochenen Vorderlauf verhungernd dalag und blicklos zu ihnen aufsah, weil die Fliegen bereits die Augen des unglücklichen Tieres herausgefressen hatten.
    Susannah blieb, wo sie war, bis er sie zu sich heranwinkte, und rückte dann rasch an seine rechte Seite auf, indem sie sich mit den Handflächen vorwärtsschob.
    In der äußersten Ecke von Dandelos gemauertem Keller – in der Südostecke, wenn sie die Himmelsrichtungen richtig einschätzte – befand sich eine primitive Gefängniszelle. Die Tür bestand aus aufeinander geschweißten Stahlstangen. In der Nähe stand noch das Schweißgerät, mit dem Dandelo sie hergestellt haben musste … wenn auch vor langer Zeit, wie eine dicke Staubschicht auf der Azetylenflasche zeigte. Knapp außer Reichweite des Gefangenen – aber absichtlich nahe genug, um ihn zu quälen, dessen war Susannah sich sicher – hing an einem ins Mauerwerk getriebenen S-förmigen Haken ein großer, altmodischer
    (dad-a-chum dad-a-cha)
    silberner Schlüssel. Der betreffende Gefangene stand an der Zellentür und streckte ihnen seine schmutzigen Hände entgegen. Er war so ausgezehrt, dass er Susannah an bestimmte schreckliche Aufnahmen aus Konzentrationslagern erinnerte, die sie einmal gesehen hatte: Fotos von Überlebenden aus Auschwitz und Bergen-Belsen und Buchenwald, lebende (wenn auch nur mit knapper Not) Anklagen gegen die

Weitere Kostenlose Bücher