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Der Dunkle Turm 7 - Der Turm

Titel: Der Dunkle Turm 7 - Der Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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nicht tun.« Ihre Stimme klang trockener als je zuvor. Sie wollte etwas trinken, aber sie fürchtete sich jetzt, etwas, was aus den Wasserhähnen dieser abscheulichen Bude kam, zu sich zu nehmen. Später würde sie Schnee hereinholen und schmelzen. Dann würde sie auch trinken, aber nicht vorher.
    »Warum sagst du das?«
    »Weil sie fort ist. Sie ist in den Sturm hinausgelaufen, als wir ihren Herrn überwältigt haben.«
    »Woher weißt du das?«
    Susannah wiegte den Kopf. »Ich weiß es eben.« Sie schlug die nächste Seite des über zweihundert Zeilen langen Gedichts auf. »Vers Nummer sechzehn.«
    Sie hielt inne.
    »Susannah? Wieso liest du nicht …« Dann fiel sein Blick auf das zweite Wort, das er selbst in lateinischer Schrift lesen konnte. »Weiter«, sagte er. Seine Stimme war leise, kaum mehr als ein Flüstern.
    »Willst du das wirklich?«
    »Lies, denn ich möchte es hören.«
    Sie räusperte sich. »Vers Nummer sechzehn.
     
    Jung Cuthberts blühend Antlitz rief ich wach,
    Um das die goldnen Locken fröhlich wallten;
    Mir wär’s, als legt’ er, um mich festzuhalten,
    Zärtlich den Arm in meinen, wie er pflog,
    Der liebe Bursch … Ach, eine Nacht der Schmach! …
    Die Glut erlosch, mein Herz fühlt’ ich erkalten.«
     
    »Er schreibt von Mejis«, sagte Roland. Seine Hände waren zu Fäusten geballt, aber sie bezweifelte, dass er sich dessen bewusst war. »Er schreibt, wie wir uns wegen Susan Delgado entzweit haben, danach war es zwischen uns nämlich nie mehr wie früher. Wir haben unsere Freundschaft gekittet, so gut es ging, aber ganz wie früher war’s nie wieder.«
    »Findet die Frau den Mann oder der Mann die Frau, ist es nie mehr wie früher«, sagte sie und gab ihm die fotokopierten Seiten. »Hier, die sind für dich. Ich habe alle markierten Verse vorgelesen. Wenn der Rest davon handelt, wie der Held zum dunklen Turm kommt – oder auch nicht –, musst du sie selbst enträtseln. Das kannst du, wenn du dir Mühe gibst, nehme ich mal an. Was mich jedoch betrifft, ich will’s nicht wissen.«
    Roland anscheinend schon. Er blätterte darin, suchte den letzten Vers. Die Seiten waren nicht nummeriert, aber das Ende war wegen der Leerzeilen nach dem mit XXXIV bezeichneten Vers leicht zu finden. Bevor er sich ans Lesen machen konnte, war wieder der dünne Schrei zu hören. Diesmal war der Wind vorübergehend eingeschlafen, sodass kein Zweifel daran möglich war, wo der Schrei herkam.
    »Im Keller unter uns ist jemand«, sagte Roland.
    »Ja, ich weiß. Und ich glaube, ich weiß auch, wer das ist.«
    Er nickte.
    Sie betrachtete ihn ruhig. »Alles passt irgendwie genau zusammen. Als wäre das Ganze ein Puzzlespiel, für das uns nur noch die letzten Teile fehlen.«
    Der Schrei erklang ein weiteres Mal, dünn und verzweifelt. Der Schrei eines Menschen, der dem Tode nahe war. Sie verließen das Bad und zogen ihre Revolver. Obwohl Susannah nicht annahm, dass sie diesmal Waffen brauchen würden.
     
    5
     
    Der Käfer, der einen fröhlichen alten Kauz namens Joe Collins imitiert hatte, lag noch an derselben Stelle wie zuvor, nur Oy war einige Schritte von ihm zurückgewichen. Was Susannah nur allzu gut verstand. Dandelo begann zu stinken, und aus seinem zerfallenden Panzer sickerten jetzt kleine Mengen einer weißlichen Flüssigkeit. Trotzdem wies Roland den Bumbler an, weiter Wache zu halten.
    Der Schrei erklang wieder, als sie die Küche erreichten, und er war hier auch lauter, aber zunächst sahen sie keine Möglichkeit, in den Keller zu gelangen. Auf der Suche nach einer verborgenen Falltür bewegte Susannah sich langsam über das rissige, schmutzige Linoleum. Sie wollte Roland gerade melden, dass es keine gebe, da sagte er: »Hier. Hinter dem Eiskasten.«
    Der Kühlschrank war nun kein hochmoderner Amana mit Eisbereiter in der Tür mehr, sondern ein vierschrötiges, schmutziges Ding mit aufgesetztem Kühlaggregat in einem trommelförmigen Gehäuse. Ihre Mutter hatte einen Kühlschrank dieser Art gehabt, als Susannah noch ein kleines Mädchen gewesen war, das auf den Namen Odetta gehört hatte, aber ihre Mutter wäre lieber gestorben, als dass sie zugelassen hätte, dass ihr eigener auch nur ein Zehntel so schmutzig war. Ein Hundertstel.
    Roland schob das Ding mühelos zur Seite, weil Dandelo, dieses durchtriebene Ungeheuer, es auf eine kleine Plattform mit Rollen gestellt hatte. Susannah bezweifelte, dass er oft Besuch bekommen hatte, nicht hier draußen am äußersten Rand von Endwelt, aber er war

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