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Der Dunkle Turm 7 - Der Turm

Titel: Der Dunkle Turm 7 - Der Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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ihm ab und zu Zeichenblock und Bleistift geben würde. Er ist genauso süchtig wie Eddie in seiner schlimmsten Zeit, überlegte sie sich, nur dass Patricks Droge aus einer dünnen Bleistiftmine besteht.
    Er setzte sich und begann zu zeichnen. Susannah nahm ihre Wache wieder auf, spürte aber bald ein eigenartiges Kribbeln im ganzen Körper, so als würde sie jemand beobachten. Sie musste gleich wieder an Mordred denken, lächelte dann jedoch sofort (was ziemlich wehtat, weil der Abszess doch in letzter Zeit wieder dick war). Nicht Mordred; Patrick. Der Junge beobachtete sie.
    Patrick zeichnete sie.
    Sie saß fast zwanzig Minuten lang still da, dann wurde ihre Neugier übermächtig. In dieser Zeit hätte Patrick mit der Mona Lisa fertig sein müssen – vielleicht als Dreingabe noch mit dem Petersdom als Hintergrund. Dieses kribbelnde Gefühl war so eigenartig, fast nicht nur eine Kopfsache, sondern eine regelrechte körperliche Empfindung.
    Als sie zu ihm hinüberging, hielt Patrick seinen Zeichenblock anfangs mit ungewohnter Schüchternheit an die Brust gedrückt. Aber er wollte, dass Susannah ihr Porträt sah; das stand in seinem Blick. Fast der Blick eines Liebenden, wenngleich sie vermutete, dass er sich eher in die von ihm gezeichnete Susannah verliebt hatte.
    »Komm schon, Süßer«, sagte sie und fasste mit einer Hand nach dem Block. Trotzdem würde sie ihn Patrick nicht aus den Händen ziehen, selbst wenn er das vielleicht wollte. Er war der Künstler; er musste selbst entscheiden, ob er ihr seine Arbeit zeigen wollte oder nicht. »Bitte, ja?«
    Der Junge presste den Block noch einen Augenblick länger an sich. Dann – schüchtern, ohne sie anzusehen – hielt er ihn ihr hin. Sie nahm ihn entgegen und blickte auf ihr Porträt hinab. Es verschlug ihr fast den Atem, so gut war es. Die großen, ausdrucksvollen Augen. Die hohen Wangenknochen, die ihr Vater immer »diese Juwelen Äthiopiens« genannt hatte. Die vollen Lippen, die Eddie so gern geküsst hatte. Das war sie; das war sie, wie sie leibte und lebte … aber zugleich war es mehr als sie. Sie hätte nie geglaubt, dass Liebe so unverfälscht aus bloßen Bleistiftstrichen sprechen könnte, aber das tat wahre Liebe hier, gewisslich wahr: die Liebe eines Jungen für die Frau, die ihn gerettet, die ihn aus einem finsteren Loch befreit hatte, in dem er sonst sicherlich gestorben wäre. Liebe für sie als Mutter, Liebe für sie als Frau.
    »Patrick, es ist wundervoll!«, sagte sie.
    Er sah sie zweifelnd an. Wirklich?, fragten seine Augen, und sie erkannte, dass nur er – der arme, bedürftige Patrick in seinem Inneren, der schon immer mit dieser Fähigkeit lebte und sie deshalb für selbstverständlich hielt – an der schlichten Schönheit seines Werkes zweifeln konnte. Zeichnen machte ihn glücklich; das hatte er schon immer gewusst. Dass seine Bilder auch andere glücklich machen konnten … an diese Vorstellung würde er sich erst gewöhnen müssen. Sie fragte sich wieder einmal, wie lange Dandelo ihn gefangen gehalten hatte und wie Patrick überhaupt in die Fänge dieses alten Scheusals geraten sein mochte. Aber das würde sie wohl nie erfahren. Viel wichtiger erschien es ihr jetzt zudem, ihn von seinem eigenen Wert zu überzeugen.
    »Ja«, sagte sie. »Ja, es ist wundervoll. Du bist ein großer Künstler, Patrick. Es macht glücklich, deine Bilder zu betrachten.«
    Diesmal vergaß er, die Zähne zusammenzubeißen. Und sein Lächeln, auch wenn es zungenlos war, war so wunderbar, dass sie es hätte vernaschen können. Es ließ alle ihre Ängste und Sorgen klein und töricht erscheinen.
    »Darf ich’s behalten?«
    Patrick nickte eifrig. Er machte mit einer Hand eine Abreißbewegung, dann deutete er auf sie. Ja! Reiß es ab! Nimm es! Behalt es!
    Sie wollte das Blatt gerade abreißen, hielt dann jedoch inne. Seine Liebe (und sein Bleistift) hatten sie schön gemacht. Der einzige Makel an dieser Schönheit war das schwarze, hässliche Geschwür neben ihrer Unterlippe. Sie zeigte ihm das Porträt, tippte auf das Geschwür und berührte dann die Stelle. Sie verzog das Gesicht. Schon die leichteste Berührung war schmerzhaft. »Das ist der einzige Makel«, sagte sie.
    Er zuckte die Achseln und hob dabei die offenen Hände bis zu den Schultern – eine Geste, über die sie lachen musste. Das tat sie leise, um Roland nicht zu wecken, aber sie musste wirklich lachen. Ihr fiel ein Ausspruch aus irgendeinem alten Film ein: Ich male, was ich sehe.
    Nur war dies kein

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