Der Dunkle Turm 7 - Der Turm
in die gleißend helle Sonne, damit er ihre Tränen darauf zurückführte, falls er sie bemerkte. Und dann zogen sie weiter in den Südosten dieses endlosen und leeren Landes, in den stetig sich verstärkenden Rhythmus, der von dem Turm als Achse aller Welten und der Zeit selbst ausging.
Poch-poch-poch.
Commala-come-come, bald ist die Reise getan.
An diesem Abend übernahm sie die erste Wache und weckte Roland schließlich um Mitternacht.
»Ich glaube, er ist irgendwo dort draußen«, sagte sie, indem sie nach Nordwesten zeigte. Nähere Erklärungen waren überflüssig; mit »er« konnte nur Mordred gemeint sein. Alle anderen gab es nicht mehr. »Pass gut auf.«
»Das werde ich«, sagte er. »Und wach gut auf, wenn du einen Schuss hörst. Und schnell.«
»Worauf du dich verlassen kannst«, sagte sie und streckte sich im trockenen Wintergras hinter Ho Fat II aus. Anfangs war sie sich nicht sicher, ob sie Schlaf finden würde; sie war von dem Gefühl einer feindseligen Präsenz in ihrer Nähe noch immer aufgeregt und durcheinander. Aber dann schlief sie doch ein.
Und träumte.
10
Der Traum der zweiten Nacht ist dem der ersten Nacht ähnlich und zugleich unähnlich. Die Hauptelemente sind identisch: Central Park, weißlich grauer Himmel, Flockenwirbel, im Chor singende Stimmen (heute mit »Come Go With Me«, dem alten Del-Vikings-Hit), Jake (ICH FAHRE DEN TAKURO SPIRIT!) und Eddie (diesmal in einem Sweatshirt mit dem Aufdruck KLICK! MIT EINER SHINNARO -KAMERA!). Eddie hat einen Becher mit heißer Schokolade, den er ihr jedoch nicht anbietet. Sie kann nicht nur auf den Gesichtern, sondern auch an der angespannten Haltung der beiden sehen, wie beunruhigt sie sind. Das ist der entscheidende Unterschied dieses Traums: Es gibt etwas zu sehen oder zu tun, vielleicht auch beides. Was immer es sein mag, die beiden haben erwartet, dass sie es längst sehen oder tun würde, aber sie hat sich als begriffsstutzig erwiesen.
Das wirft eine ziemlich schwerwiegende Frage auf: Ist sie vorsätzlich begriffsstutzig? Gibt es hier etwas, dem sie sich nicht stellen will? Ist es vielleicht sogar denkbar, dass der Dunkle Turm die Kommunikation mit den beiden behindert? Natürlich ist das eine lächerliche Idee – diese Leute, die sie sieht, sind schließlich nur Produkte ihrer sehnsüchtigen Phantasie; sie sind tot! Eddie durch eine Kugel getötet, Jake von einem Auto überfahren: der eine in dieser Welt umgekommen, der andere in der Fundamentalen Welt, wo Spaß einfach Spaß ist, was geschehen ist, geschehen bleibt (geschehen bleiben muss, weil die Zeit dort stets nur in einer Richtung läuft), und Stephen King ihr Poeta laureatus ist.
Trotzdem kann sie diesen Ausdruck auf ihren Gesichtern nicht leugnen, jenen panikartigen Ausdruck, der zu besagen scheint: Du hast es, Suze – du hast, was wir dir zeigen wollen, du hast, was du wissen musst. Willst du es etwa entschlüpfen lassen? Das vierte Viertel hat begonnen. Wir sind im vierten Viertel, und die Uhr läuft und wird weiterlaufen, muss weiterlaufen, weil du schon alle dir zustehenden Auszeiten genommen hast. Du musst dich beeilen … beeilen …
11
Susannah schrak nach Luft ringend hoch. Es war schon fast Tag. Sie fuhr sich mit einer Hand über die Stirn und stellte fest, dass sie schweißnass war.
Was wolltest du mir mitteilen, Eddie? Was willst du mich wissen lassen?
Auf diese Frage gab es keine Antwort. Wie denn auch? Der feine Mister Dean, der is tot, dachte sie und ließ sich zurücksinken. So lag sie noch eine weitere Stunde da, ohne wieder einschlafen zu können.
12
Wie Ho Fat I, so war auch Ho Fat II mit Zuggriffen ausgerüstet, die im Gegensatz zu denen des ersten Gefährts jedoch verstellbar waren. Wenn Patrick einmal zu Fuß gehen wollte, ließen die Griffe sich spreizen, damit Roland und er je einen bekamen. Wollte er lieber fahren, klappte Roland sie wieder zusammen, um den Wagen allein ziehen zu können.
Mittags machten sie Halt, um zu essen. Nach dieser Mahlzeit kroch Patrick auf die Ladefläche von Ho Fat II, um ein Nickerchen zu machen. Roland wartete, bis er den Jungen (das blieb er nämlich für sie, unabhängig davon, wie alt er in Wirklichkeit sein mochte) leise schnarchen hörte, dann wandte er sich an sie.
»Susannah, was bekümmert dich eigentlich? Das möchte ich von dir hören. Das möchte ich dan-dinh von dir hören, obwohl wir kein Tet mehr sind und ich nicht mehr dein Dinh bin.« Er lächelte. Dieses
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