Der Dunkle Turm 7 - Der Turm
Währenddessen verdoppelte der Ruf des Dunklen Turms sich, dann verdreifachte er sich. Roland spürte, wie der Turm unsichtbare Hände ausstreckte, die nach ihm griffen, ihn erfassten. Die Zeit, da sein Schicksal sich erfüllen würde, war gekommen.
Trotzdem musste er an diesen Jungen denken. Diesen Jungen ohne Freunde. Roland wollte ihn nicht hier am Rand von Endwelt sterben lassen, wenn sich das verhindern ließ. Er war nicht an Sühne interessiert, aber irgendwie verkörperte Patrick für ihn all die Morde und den Verrat, die ihn zuletzt hierher zum Dunklen Turm gebracht hatten. Rolands Angehörige waren tot; sein missratener Sohn war der letzte gewesen. Nun würden Eld und Turm vereint werden.
Zuerst jedoch – oder zuletzt – war dieses noch zu erledigen.
»Patrick, hör mir zu«, sagte er und legte dem Jungen seine gesunde Linke und die verstümmelte Rechte auf die Schultern. »Wenn du weiterleben willst, um all die Bilder malen zu können, die das Ka für dich in der Zukunft bereithält, dann stell mir nun keine Fragen und fordere mich auch nicht auf, einen einzigen Punkt zu wiederholen.«
Der Junge sah in dem roten, ersterbenden Licht mit großen Augen schweigend zu ihm auf. Und um sie herum steigerte das Lied des Turms sich zu einem gewaltigen Ruf, der nur noch aus commala bestand.
»Geh zur Straße zurück. Sammle alle Konservendosen ein, die noch heil sind. Die müssten reichen, um dich über die Runden zu bringen. Geh auf dem Weg zurück, den wir gekommen sind. Verlass auf keinen Fall die Straße. Dann kann dir nichts passieren.«
Patrick nickte und schien alles genau verstanden zu haben. Roland sah, dass der Junge an ihn glaubte, und das war gut. Sein Glaube würde ihn besser schützen als ein Revolver, selbst als einer mit Sandelholzgriff.
»Geh zum Außenposten zurück. Zurück zu dem Roboter – dem ehemaligen Stotter-Bill. Sag ihm, dass er dich zu einer Tür bringen soll, die sich zur Amerika-Seite hin öffnet. Wenn sie sich nicht mit der Hand öffnen lässt, zeichnest du sie mit deinem Bleistift auf. Hast du verstanden?«
Patrick nickte abermals. Natürlich verstand er das.
»Sollte das Ka dich in irgendeinem Wo oder Wann mit Susannah zusammenführen, sagst du ihr, dass Roland sie weiter liebt, von ganzem Herzen liebt.« Er zog Patrick an sich und küsste ihn auf den Mund. »Den gibst du ihr. Hast du verstanden?«
Patrick nickte.
»Also gut. Ich gehe jetzt. Lange Tage und angenehme Nächte. Mögen wir uns auf der Lichtung am Ende des Pfades wiedersehen, wenn alle Welten enden.«
Trotzdem wusste er schon jetzt, dass es dazu nicht kommen würde, weil die Welten niemals enden würden, nun nicht mehr, und für ihn würde es keine Lichtung am Ende des Pfades geben. Für Roland Deschain von Gilead, den letzten vom Geschlecht des Eld, endete der Pfad am Dunklen Turm. Und das war ihm nur recht.
Der Revolvermann erhob sich. Der Junge sah mit großen, staunenden Augen zu ihm auf und hielt dabei seinen Zeichenblock an sich gedrückt. Roland wandte sich ab. Er füllte seine Lunge tief mit Luft und stieß dann einen gewaltigen Schrei aus.
»JETZT KOMMT ROLAND ZUM DUNKLEN TURM! ICH HABE DIE TREUE GEHALTEN, ICH TRAGE NOCH IMMER DIE WAFFE MEINES VATERS, UND DU WIRST DICH UNTER MEINER HAND ÖFFNEN!«
Patrick sah dem Revolvermann nach, wie dieser auf der Straße weiterging: eine schwarze Silhouette vor dem blutrot brennenden Himmel. Er beobachtete, wie Roland zwischen Rosen weiterging, und hockte zitternd im Schatten, als Roland schließlich die Namen seiner Freunde und Geliebten und Ka-Gefährten zu rufen begann; die seltsame hiesige Luft trug diese Namen so klar an sein Ohr, als würden sie bis in alle Ewigkeit widerhallen.
»Ich komme im Namen von Steven Deschain, jenem aus Gilead!
Ich komme im Namen von Gabrielle Deschain, jener aus Gilead!
Ich komme im Namen von Cortland Andrus, jenem aus Gilead!
Ich komme im Namen von Cuthbert Allgood, jenem aus Gilead!
Ich komme im Namen von Alain Johns, jenem aus Gilead!
Ich komme im Namen von Jamie DeCurry, jenem aus Gilead!
Ich komme im Namen von Vannay dem Weisen, jenem aus Gilead!
Ich komme im Namen von Hax dem Koch, jenem aus Gilead!
Ich komme im Namen von David dem Falken, jenem aus Gilead und vom Himmel!
Ich komme im Namen von Susan Delgado, jener aus Mejis!
Ich komme im Namen von Sheemie Ruiz, jenem aus Mejis!
Ich komme im Namen von Pere Callahan, jenem aus Jerusalem’s Lot und von der Straße!
Ich komme im Namen von Ted Brautigan, jenem
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