Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Dunkle Turm 7 - Der Turm

Titel: Der Dunkle Turm 7 - Der Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
Vom Netzwerk:
Haare wieder flogen. Dabei machte er zwischen den Zähnen ein pfeifendes Geräusch, das eine bemerkenswert gute Imitation eines anfliegenden Schnaatzes war.
    »Ich schieße alles ab, was er einsetzt«, sagte Roland. »Du hast gesehen, dass ich das kann. Wenn eine nahe genug wäre, dass ich sie selbst pflücken könnte, würde ich das auch tun. Aber das ist leider nicht der Fall. Also musst du die Rose pflücken, und ich gebe dir dabei Feuerschutz.«
    Aber Patrick duckte sich nur ängstlich gegen die zerklüftete Seite der Pyramide. Patrick wollte nicht. Seine Angst war vielleicht nicht so groß wie sein Talent, aber der Unterschied konnte nicht allzu bedeutend sein. Roland schätzte die Entfernung zur nächsten Rose ab. Sie stand außerhalb ihrer kümmerlichen Deckung, aber vielleicht nicht allzu weit entfernt. Er betrachtete seine verkrüppelte Rechte, die das Pflücken würde besorgen müssen, und fragte sich, wie schwierig das wohl sein würde. Tatsache war natürlich, dass er das nicht wusste. Hier handelte es sich nicht um gewöhnliche Rosen. Womöglich enthielten die Dornen, mit denen ihr Stiel besetzt war, ein Gift, von dem er augenblicks gelähmt und als leichtes Ziel ins Gras sinken würde.
    Aber Patrick wollte nicht. Patrick wusste, dass Roland einst Freunde gehabt hatte, die nun alle tot waren, und Patrick wollte nicht. Hätte Roland zwei Stunden Zeit gehabt, um den Jungen zu beknien – möglicherweise auch nur eine Stunde –, hätte dieser seine schreckliche Angst vielleicht überwinden können. Aber so viel Zeit blieb ihm nicht. Der Sonnenuntergang stand bevor.
    Außerdem ist sie nahe. Ich kann’s schaffen, wenn es nicht anders geht … und ich muss.
    Das Wetter war so warm geworden, dass sie die plumpen Fausthandschuhe aus Hirschleder, die Susannah ihnen genäht hatte, eigentlich nicht mehr brauchten, aber Roland hatte seine am Morgen noch getragen, weshalb sie jetzt in seinem Gürtel steckten. Er zog einen heraus und schnitt den Fingerteil ab, damit seine außer dem Daumen verbliebenen beiden Finger hindurchgreifen konnten. Der restliche Teil würde wenigstens seine Handfläche vor Dornen schützen. Er streifte ihn über, dann richtete er sich mit dem Revolver in der Linken auf ein Knie gestützt auf und sah zu der Rose hinüber, die ihnen am nächsten stand. Würde eine genügen? Sie würde reichen müssen, beschloss er. Die nächste Rose stand volle zwei Meter hinter der ersten.
    Patrick umklammerte Roland an der Schulter und schüttelte verzweifelt den Kopf.
    »Ich muss«, sagte Roland, und natürlich musste er das. Dies war seine, nicht Patricks Aufgabe, und es war falsch gewesen, den Jungen überhaupt dazu veranlassen zu wollen. Gelang es ihm, schön und gut. Versagte er und wurde hier am Rande des Can’-Ka No Rey in Stücke gerissen, würde zumindest dieses schreckliche Gezerre aufhören.
    Der Revolvermann holte tief Luft, dann sprang er aus der Deckung und auf die Rose zu. Im selben Augenblick klammerte Patrick sich nochmals an ihn, um ihn zurückzuhalten. Er bekam einen Zipfel von Rolands Mantel zu fassen und brachte ihn dadurch aus dem Gleichgewicht. Roland schlug unbeholfen seitlich auf. Der Revolver flog ihm aus der Hand und landete im hohen Gras. Der Scharlachrote König kreischte (der Revolvermann hörte Triumph und Wut in dieser Stimme), und dann heulte auch schon ein weiterer Schnaatz heran. Rolands behandschuhte Rechte schloss sich um den Stiel der Rose. Die Dornen durchstachen das zähe Hirschleder, als bestünde der Handschuh nur aus Spinnweben. Dann bohrten sie sich ihm in die Hand. Der Schmerz war gewaltig, aber das Lied der Rose umso lieblicher. Tief in ihrem Blütenkelch konnte er jenes gelbe Leuchten sehen, das wie eine Sonne strahlte. Oder wie eine Million Sonnen. Er konnte die Wärme des Bluts spüren, das seine Handfläche füllte und zwischen den verbliebenen Fingern hervortropfte. Es tränkte das Hirschleder und ließ auf der abgewetzten braunen Oberfläche sozusagen eine weitere Rose erblühen. Und da kam der Schnaatz angerauscht, der ihn töten würde; er übertönte das Lied der Rose, erfüllte seinen Kopf und drohte ihm den Schädel zu spalten.
    Der Stiel wollte nicht abbrechen. Zu guter Letzt ließ die Rose sich nur mitsamt der Wurzel ausreißen. Roland wälzte sich nach links, ergriff seinen Revolver und schoss, ohne richtig hinzusehen. Sein Herz sagte ihm, dass dafür die Zeit nicht reichte. Es gab eine entsetzliche Detonation, und der heiße Luftschwall, der ihn

Weitere Kostenlose Bücher