Der Dunkle Turm 7 - Der Turm
bezeichnete.
So viel hast du getan, sagte er sich, während er gedankenverloren in das staubige, sich auflösende Gesicht blickte. So viel hast du getan, und so viel mehr hättest du noch getan, aye, und alles ohne Hemmungen noch Skrupel, und so wird die Welt dereinst enden, dünkt mich, kein Opfer des Hasses, sondern der Liebe. War die Liebe doch schon immer die vernichtendere Waffe.
Er beugte sich vor, nahm einen Duft wahr, der an welke Blumen oder auch alte Gewürze erinnerte, und atmete wieder aus. Das Ding, das halbwegs an einen Frauenkopf erinnerte, hätte sich jetzt wie eine Pusteblume oder Wollmaus wegblasen lassen.
»Sie wollte dem Universum nichts Böses«, sagte Susannah, deren Stimme nicht ganz fest klang. »Sie wollte nur, was jeder Frau zusteht: ein Baby bekommen. Ein Kind, das man lieben und aufziehen kann.«
»Aye«, stimmte Roland zu. »Du sprichst wahrhaftig. Gerade das macht ihr Ende so schwarz.«
Und Eddie sagte: »Manchmal denke ich, dass uns allen geholfen wäre, wenn die Gutmeinenden sich einfach irgendwo verkriechen und sterben würden.«
»Das wäre dann unser Ende, Big Ed«, stellte Jake trocken fest.
Sie dachten alle darüber nach, und Eddie fragte sich unwillkürlich, wie vielen sie schon durch ihre wohlmeinende Einmischung den Tod gebracht hatten. Die Bösen kümmerten ihn nicht, aber es hatte auch andere gegeben – Susan, Rolands verlorene Liebe, war nur eine darunter.
Roland wandte sich von den pulverisierten sterblichen Überresten Mias ab und kam zu Susannah, die auf einem der nächsten Betten saß, wo sie die Hände unter die Oberschenkel geschoben hatte. »Erzähl mir alles, was dir zugestoßen ist, seit du uns nach der Schlacht an der Oststraße verlassen hast«, sagte er. »Wir müssen …«
»Roland, ich wollte euch niemals verlassen. Das war Mia. Sie hat mich dazu gezwungen. Und hätte ich keinen Zufluchtsort gehabt – einen Dogan –, hätte sie die Herrschaft sogar ganz über mich übernommen.«
Roland nickte, um zu zeigen, dass er das alles verstand. »Erzähl mir trotzdem, wie du in dieses Devar-Tete gekommen bist. Und von dir, Jake, möchte ich es dann auch hören.«
»Devar-Tete«, sagte Eddie. Der Ausdruck klang entfernt vertraut. Hatte er etwas mit Chevin von Chayven, dem Langsamen Mutanten zu tun, den Roland in Lovell von seinem Elend erlöst hatte? Vermutlich. »Was bedeutet das?«
Rolands Handbewegung umfasste den Saal mit all seinen Betten, jedes mit einer Art Helm, zu dem ein gegliederter Stahlschlauch führte; die Götter mochten wissen, wie viele Kinder aus den Callas in diesen Betten gelegen hatten, um dann als Mindere zurückzukehren. »Es bedeutet kleines Gefängnis oder auch Folterkammer.«
»Kommt mir gar nicht so klein vor«, sagte Jake. Er wusste nicht, wie viele Betten es hier gab, schätzte ihre Zahl aber auf dreihundert. Auf wenigstens dreihundert.
»Möglicherweise stoßen wir auf ein noch größeres, bevor wir hier mit allem fertig sind. Erzähl nun deine Geschichte, Susannah, und dann du, Jake.«
»Wohin geht’s denn von hier aus weiter?«, fragte Eddie.
»Vielleicht ergibt sich das aus den Geschichten der beiden«, antwortete Roland.
2
Roland und Eddie hörten aufmerksam zu, als Susannah und Jake ihre Abenteuer in allen Einzelheiten schilderten. Roland unterbrach Susannah erstmals, als sie ihnen von Mathiessen van Wyck erzählte, der ihr sein Geld gegeben und ein Hotelzimmer für sie genommen hatte. Der Revolvermann fragte Eddie nach der Schildkröte im Futter der Tragetasche.
»Ich hab nicht gewusst, dass das eine Schildkröte war. Ich hab’s erst für einen Stein gehalten.«
»Diese Sache möchte ich noch mal hören«, sagte Roland.
Eddie überlegte also sorgfältig, strengte sich an, sich an alle Details zu erinnern (weil doch alles sehr lange zurückzuliegen schien), und erzählte dann, wie Pere Callahan und er zur Höhle der Stimmen hinaufgestiegen waren, in der sie schließlich den Kasten aus Geisterholz mit der Schwarzen Dreizehn geöffnet hatten. Sie hatten erwartet, dass die Schwarze Dreizehn die Tür öffnete, und das hatte sie auch getan, aber zuvor …
»Wir haben den Kasten in die Tragetasche gesteckt«, sagte Eddie. »In die, auf der in New York NICHTS ALS TREFFER REI MIDTOWNBAHNEN, aber auf der Seite der Calla Bryn Sturgis NICHTS ALS TREFFER BEI MITTWELT-BAHNEN gestanden hat, ihr wisst schon.«
Sie nickten alle.
»Und dabei habe ich etwas im Futter der Tasche ertastet. Ich habe Callahan darauf
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