Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
durchgekommen. Ich bin in der Himmelskutsche.
Da war noch etwas, aber das hörte Eddie nicht. Er war zu sehr damit beschäftigt, so leise er konnte in die Kloschüssel zu kotzen.
Als er fertig war, noch ehe er sich auch nur den Mund abgewischt hatte, geschah etwas mit ihm, was ihm vorher noch niemals passiert war. Einen furchteinflößenden Augenblick lang war nichts nur ein leeres Intervall. Als wäre eine einzige Zeile in einer gedruckten Spalte fein säuberlich ausgelöscht worden.
Was ist das? dachte Eddie hilflos. Was, zum Teufel, ist diese Scheiße?
Dann mußte er wieder kotzen, und das war wahrscheinlich gut so; was immer man dagegen anführen mochte, das Erbrechen hatte wenigstens eines für sich: Solange man damit beschäftigt war, konnte man an nichts anderes denken.
3
Ich bin durchgekommen. Ich bin in der Himmelskutsche, dachte der Revolvermann. Und eine Sekunde später: Er sieht mich im Spiegel!
Roland wich zurück – er ging nicht, sondern wich zurück wie ein Kind, das sich in die fernste Ecke eines sehr langen Zimmers flüchtet. Er war in der Himmelskutsche; er war auch in einem Mann, der nicht er selbst war. Er war im Gefangenen. In jenem ersten Augenblick, als er ganz vorne gewesen war (anders konnte er es nicht beschreiben), war er mehr als im Inneren; er war beinahe der Mann gewesen. Er hatte die Krankheit des Mannes gespürt, was immer sie sein mochte, und hatte gemerkt, daß der Mann sich übergeben mußte. Roland begriff, daß er die Kontrolle über den Körper dieses Mannes erlangen konnte, sollte es nötig sein. Er würde seine Schmerzen erleiden, würde von dem Dämonen-Affen geplagt werden, der von ihm Besitz ergriffen hatte, aber wenn es nötig war, konnte er es.
Oder er konnte unbemerkt hierbleiben.
Als der Würgeanfall des Gefangenen vorbei war, schnellte der Revolvermann nach vorne – dieses Mal bis ganz vorne. Er begriff sehr wenig von dieser seltsamen Situation, und in einer Situation zu handeln, die man nicht versteht, heißt, die schrecklichsten Konsequenzen herausfordern, aber er mußte zweierlei wissen und zwar so verzweifelt, daß der Zwang zu wissen jedwede Konsequenzen, die sich ergeben mochten, überwand.
War die Tür, durch die er aus seiner eigenen Welt gekommen war, immer noch da?
Und wenn sie da war, war auch sein körperliches Selbst noch da, war es unbewohnt zusammengebrochen, starb es möglicherweise oder war es bereits tot, ohne seine Seele? Selbst wenn sein Körper noch lebte, er lebte vielleicht nur noch bis Einbruch der Nacht. Dann würden die Monsterhummer herauskommen, ihre Fragen stellen und am Strand nach Mahlzeiten suchen.
Er riß den Kopf, der einen Augenblick lang sein Kopf war, zu einem raschen Blick nach hinten herum.
Die Tür war noch da, war noch hinter ihm. Sie stand zu seiner eigenen Welt hin offen, ihre Angeln waren im Stahl dieser eigentümlichen Kabine verankert. Und ja, dort lag er, Roland, der letzte Revolvermann, auf der Seite, die verbundene rechte Hand auf dem Bauch.
Ich atme, dachte Roland. Ich muß zurückgehen und mich an eine andere Stelle bringen. Aber zuerst muß verschiedenes getan werden. Verschiedenes…
Er gab den Verstand des Gefangenen frei und zog sich zurück, beobachtete und wartete, ob der Gefangene von seiner Anwesenheit wußte oder nicht.
4
Nachdem das Erbrechen aufgehört hatte, blieb Eddie mit fest zugekniffenen Augen über das Becken gebeugt stehen.
Eine Sekunde lang weggetreten. Weiß nicht, was es war. Habe ich mich umgedreht?
Er tastete nach dem Hahn und ließ kaltes Wasser laufen. Er spritzte es sich über Wangen und Stirn, ohne die Augen aufzumachen.
Als es sich nicht mehr länger vermeiden ließ, sah er wieder in den Spiegel.
Seine eigenen Augen sahen ihn an.
In seinem Kopf war keine fremde Stimme.
Kein Gefühl, beobachtet zu werden.
Du hattest einen Augenblick einen Aussetzer, Eddie, sagte der große Weise und bedeutende Junkie zu ihm. Bei einem, der auf cool turkey ist, kein außergewöhnliches Phänomen.
Eddie sah auf die Uhr. Noch eineinhalb Stunden bis New York. Das Flugzeug sollte um 4.05 EDT landen, aber in Wirklichkeit würde es zwölf Uhr Mittag sein. Showdown-Zeit.
Er ging zu seinem Sitz zurück. Sein Drink stand auf dem Klapptisch. Er trank zwei Schluck, dann kam die Stew wieder und fragte, ob sie noch etwas für ihn tun konnte. Er machte den Mund auf, um nein zu sagen, und dann folgte wieder einer dieser seltsam weggetretenen
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