Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
her, dass Susannah sich körperlich so wohl gefühlt hatte. So unschwanger. Trotzdem war ihr Verstand beunruhigt. Oder vielleicht ihr Geist.
Eddie hielt eine Stoffbahn hoch, die zusammengerollt und mit drei Stücken Bindfaden verschnürt war. »Dieser Ted hat gesagt, dass er uns eine Karte des Gefangenenlagers dalässt. Ich wette, dass sie das hier ist. Will noch jemand außer mir sie sich ansehen?«
Niemand ließ sich lange fragen. Eddie entrollte die Karte. Brautigan hatte sie gewarnt, dass sie recht primitiv sei, und das war sie auch tatsächlich: kaum mehr als eine Ansammlung von Kreisen und Quadraten. Susannah las den Namen dieser kleinen Stadt – Pleasantville – und musste wieder an Ray Bradbury denken. Jake belustigte die simple Windrose, auf der der Kartenzeichner neben den Buchstaben N ein Fragezeichen gesetzt hatte.
Während sie dieses hastig erstellte Meisterwerk der Kartografie studierten, stieg in der Düsternis außerhalb der Höhle ein lang gezogener, zitternder Schrei auf. Eddie, Susannah und Jake sahen sich unruhig um. Oy hob den Kopf von den Pfoten, stieß ein kurzes, tiefes Knurren aus, ließ dann den Kopf wieder sinken und schien sofort weiterzuschlafen: Zum Teufel mit dir, böser Junge, ich bin bei meinen Kumpels und hab keine Angst.
»Was war das?«, sagte Eddie. »Ein Kojote? Ein Schakal?«
»Irgendeine Art Wüstenhund«, sagte Roland geistesabwesend. Er saß in der Hocke (was darauf schließen ließ, dass seine schlimme Hüfte sich gebessert hatte, zumindest vorübergehend) und hatte die Arme um die Knie geschlungen. Er ließ die primitiven Kreise und Quadrate auf dem Tuch keine Sekunde aus den Augen. »Can-Toi-Tete.«
»Ist das etwas wie Dan -Tete?«, fragte Jake.
Roland beachtete ihn nicht. Er raffte die Karte zusammen und verließ damit die Höhle, ohne sich umzusehen. Die anderen wechselten einen Blick, dann folgten sie ihm, wobei sie ihre Decken wieder wie Umhänge um sich zogen.
3
Roland ging zu der Stelle zurück, an der Sheemie (mit etwas Hilfe von seinen Freunden) sie abgesetzt hatte. Diesmal benutzte der Revolvermann das Fernglas und starrte ewig lange auf den Blauen Himmel hinunter. Irgendwo hinter ihnen heulte der Wüstenhund ein weiteres Mal: ein einsamer Klagelaut in der Düsternis.
Und, das fand Jake, die Düsternis war jetzt noch düsterer. Das menschliche Auge passte sich an, wenn der Tag zur Neige ging, aber der helle Scheinwerfer der künstlichen Sonne wirkte im Kontrast der Dämmerung jetzt noch greller als zuvor. Jake war sich ziemlich sicher, dass die Sonnenmaschine entweder ganz ein- oder ganz ausgeschaltet werden konnte, ohne jegliche Zwischenstufe. Vielleicht ließ man sie sogar die ganze Nacht lang brennen, aber das bezweifelte er. Das Nervensystem des Menschen war für eine geregelte Folge von Hell und Dunkel eingerichtet, das hatte er im Biologieunterricht gelernt. Man konnte längere Zeiträume bei schwachem Licht überdauern – was etwa die Bewohner der Polargebiete jedes Jahr taten –, aber davon konnte man wirklich einen Dachschaden bekommen. Jake glaubte nicht, dass die Verantwortlichen dort unten die Brecher mehr belasten wollten als unbedingt nötig. Außerdem würden sie ihre »Sonne« möglichst lange funktionstüchtig halten wollen; wo hier doch alles alt und pannenanfällig war.
Endlich gab Roland das Fernglas an Susannah weiter. »Sieh dir vor allem die Gebäude zu beiden Enden des Rasenrechtecks an.« Er entrollte die Karte wie ein Schauspieler, der auf der Bühne aus einer Schriftrolle vorlesen sollte, warf einen kurzen Blick darauf und sagte: »Sie sind auf der Karte mit den Ziffern zwei und drei bezeichnet.«
Susannah betrachtete sie sorgfältig. Die Nummer 2, das Haus des Oberaufsehers, war ein kleines Cape-Cod-Haus in leuchtendem Blau, mit Weiß abgesetzt. Ein Häuschen, das ihre Mutter wegen der fröhlichen Farben und der Bogenkanten am Dachgesims vermutlich als Lebkuchenhaus bezeichnet hätte.
Das Damli House war viel größer, und während sie es beobachtete, sah sie mehrere Leute hineingehen oder herauskommen. Manche machten den unbekümmerten Eindruck von Zivilisten. Andere schienen viel … nun, viel wachsamer zu sein. Und sie sah zwei, drei Gestalten, die unter schweren Lasten gebeugt gingen. Sie reichte das Fernglas an Eddie weiter und fragte ihn, ob das diese Kinder von Roderick seien.
»Ich glaube schon«, sagte er, »aber ich kann’s nicht ganz bestimmt …«
»Kümmern wir uns nicht um die Rods«, sagte
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