Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
Daddy Mose zu ihr gekommen, hätte sie in den Arm genommen und Adieu, alles Gute und gute Reise gesagt.
13
Als Roland in der Eingangshalle aus dem »Lift« trat, war er wenig überrascht, zwischen einigen respektvoll schweigenden Folken eine Frau in einem graugrünen Pullover und einer moosgrünen leichten Hose vor dem Garten stehen zu sehen. Neben ihrem linken Schuh saß ein Tier, das nicht ganz ein Hund war. Roland ging zu ihr hinüber und berührte sie am Ellbogen. Irene Tassenbaum drehte sich mit staunend geweiteten Augen nach ihm um.
»Hörst du’s auch?«, fragte sie ihn. »Wie der Gesang, den wir in Lovell gehört haben, nur hundertmal lieblicher.«
»Ich höre ihn«, sagte er. Dann bückte er sich und hob Oy auf. Während die Stimmen sangen, blickte er in die glänzenden goldgeränderten Augen des Bumblers. »Freund von Jake«, sagte er, »was sollst du mir von ihm ausrichten?«
Oy gab sich Mühe, aber was er herausbrachte, war bestenfalls etwas, das wie Dandy-o klang – ein Wort, an das Roland sich vage aus einem alten Trinklied erinnerte, in dem es sich auf Adelina sagt, sie ist geil-o reimte.
Roland legte seine Stirn an die von Oy und schloss die Augen. Er roch den warmen Atem des Bumblers. Und noch mehr: einen Duft tief in dessen Pelz, der von dem Heu kam, in das Jake Chambers und Benny Slightman vor nicht allzu langer Zeit abwechselnd gesprungen waren. In Gedanken hörte er Jakes Stimme, die mit dem lieblichen Gesang jener anderen Stimmen unterlegt war, ein letztes Mal:
Richte ihm aus, dass Eddie sagt: »Hütet euch vor Dandelo.« Nicht vergessen!
Und Oy hatte es nicht vergessen.
14
Als sie draußen die Treppe vor dem Gebäude Hammarskjöld Plaza Nr. 2 hinabgingen, sprach sie jemand mit ehrerbietiger Stimme an: »Madam? Sir?«
Es war ein Mann in einem schwarzen Anzug, zu dem er eine weiche schwarze Mütze trug. Er stand neben dem längsten, schwärzesten Karromobil, das Roland je gesehen hatte. Bei diesem Anblick wurde dem Revolvermann unbehaglich zumute.
»Wer hat uns eine Leichen-Bucka geschickt?«, fragte er.
Irene Tassenbaum lächelte. Die Rose hatte sie erfrischt – auch angeregt und fröhlich gestimmt –, aber sie war weiterhin müde. Und darauf bedacht, wieder Verbindung mit David aufzunehmen, der unterdessen vor Sorge um sie wahrscheinlich fast durchdrehte.
»Das ist kein Leichenwagen«, sagte sie, »sondern eine Limousine. Ein Wagen für besondere Leute … beziehungsweise auch Leute, die sich für etwas Besonderes halten.« Sie wandte sich an den Chauffeur. »Können Sie veranlassen, dass Ihre Zentrale ein Flugticket für mich bucht, während wir unterwegs sind?«
»Gewiss, Madam. Darf ich fragen, mit welcher Gesellschaft und wohin Sie fliegen möchten?«
»Ich möchte nach Portland, Maine. Am liebsten mit Rubberband Airlines, wenn von denen heute Nachmittag eine Maschine dort hinfliegt.«
Die Limousine hatte getönte Scheiben; das dunkle Innere wurde durch regelbare farbige Lampen erhellt. Oy sprang auf einen der Ledersitze und beobachtete interessiert die draußen vorbeiziehende Großstadt. Roland war gelinde überrascht, an einer Seite des langen Fahrgastabteils eine komplett bestückte Bar zu entdecken. Er überlegte, ob er ein Bier trinken sollte, gelangte dann aber zu dem Schluss, dass selbst ein derart schwaches Getränk seine geistigen Fähigkeiten beeinträchtigen konnte. Irene dagegen waren solche Sorgen fremd. Sie goss sich aus einer kleinen Flasche etwas ein, das Whiskey zu sein schien, und hob dann das Glas, um ihm zuzutrinken.
»Möge deine Straße sich stets aufwärts winden, mögest du den Wind stets im Rücken haben, mein lieber Gespiele«, sagte sie.
Roland nickte. »Ein guter Trinkspruch. Danke-sai.«
»Die letzten drei Tage waren die erstaunlichsten Tage meines Lebens. Ich möchte dir danke-sai sagen. Dass du mich gewählt hast.« Und dass du mich gebumst hast, dachte sie, ohne es jedoch auszusprechen. Dave und sie kuschelten zwar noch immer gelegentlich miteinander, aber das war nichts gegen letzte Nacht. So war es bei ihnen überhaupt noch nie gewesen. Und wenn Roland nicht abgelenkt gewesen wäre? Höchstwahrscheinlich wäre ihr albernes Ich dann wie ein Knallkörper explodiert.
Roland nickte und beobachtete, wie draußen die Straßen der Großstadt – eine Version von Lud, aber noch jung und lebendig – vorbeizogen. »Was wird aus deinem Wagen?«, fragte er.
»Sollten wir ihn brauchen, bevor wir nach New York
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