Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
zurückkommen, lassen wir ihn uns einfach von jemandem nach Maine raufbringen. Aber wahrscheinlich genügt uns sowieso Davids Beamer. Das ist nun einmal einer der Vorteile des Reichtums … Warum starrst du mich so an?«
»Ihr habt ein Karromobil, das Beamer genannt wird?«
»Umgangssprache«, sagte sie. »Eigentlich heißt’s BMW. Für Bayerische Motorenwerke.«
»Aha.« Roland versuchte ein Gesicht zu machen, als hätte er irgendetwas von dem verstanden.
»Roland, darf ich dich etwas fragen?«
Er machte eine kreisende Handbewegung, sie solle weitersprechen.
»Als wir den Schriftsteller gerettet haben, haben wir da auch die Welt gerettet? Das haben wir gewissermaßen, nicht wahr?«
»Ja«, sagte er.
»Wie kann es passieren, dass ein Schriftsteller, der nicht mal sehr gut ist – und ich kann’s beurteilen, ich habe immerhin vier oder fünf seiner Bücher gelesen –, für die Zukunft der Welt zuständig ist? Oder des gesamten Universums?«
»Warum hast du nicht nach einem Buch aufgehört, wenn er nicht so gut ist?«
Mrs. Tassenbaum lächelte. »Treffer! Er liest sich eben gut, das gestehe ich ihm zu – er kann gute Geschichten erzählen, hat aber erbärmlich wenig Sprachgefühl. So, jetzt habe ich deine Frage beantwortet, nun musst du meine beantworten. Gott weiß, dass es Schriftsteller gibt, die sich einbilden, die ganze Welt hänge von dem ab, was sie fabrizieren. Norman Mailer fällt einem da ein, auch Shirley Hazzard und John Updike. Aber in diesem Fall scheint die Welt wirklich davon abzuhängen. Wie kommt es dazu?«
Roland zuckte die Achseln. »Er hört die richtigen Stimmen und singt die richtigen Lieder. Ka, sonst nichts.«
Jetzt war die Reihe an Irene Tassenbaum, so zu tun, als hätte sie irgendwas verstanden.
15
Die Limousine hielt vor einem Gebäude mit einer grünen Markise, die den ganzen Gehsteig überspannte. Am Eingang stand abermals ein Mann in einem gut geschnittenen Anzug. Die vom Gehsteig hinaufführenden Stufen waren mit gelbem Plastikband abgesperrt. Es war mit Wörtern bedruckt, die Roland nicht entziffern konnte.
»Hier steht TATORT, BETRETEN VERBOTEN«, erklärte Mrs. Tassenbaum ihm. »Aber das Band scheint schon länger hier zu hängen. Ich glaube, dass es normalerweise abgenommen wird, wenn sie mit ihren Kameras, den kleinen Pinseln und dem übrigen Kram fertig sind. Du musst mächtige Freunde haben.«
Roland war sich sicher, dass das Absperrband tatsächlich schon länger hier hing: nämlich seit ungefähr drei Wochen. Seit jenem Tag, an dem Jake und Pere Callahan das Dixie Pig betreten hatten – mit dem Bewusstsein, in den Tod zu gehen, aber trotzdem mutig mit dem Kopf voran. Er sah einen Rest Whiskey in Irenes Glas, kippte ihn, verzog das Gesicht, weil der Alkohol ihm die Kehle verbrannte, genoss dann aber das Gefühl, wie dieses Brennen sich bis in den Magen hinab fortsetzte.
»Besser?«, fragte Irene.
»Aye, danke.« Er nahm die Tasche mit den Orizas fester über die Schulter und stieg mit Oy aus. Irene blieb kurz zurück, um noch mit dem Chauffeur zu reden, dessen Zentrale den gewünschten Flug offenbar hatte buchen können. Roland schlüpfte unter dem Absperrband hindurch, blieb dann einen Augenblick lang stehen, horchte auf den brausenden Lärm der Großstadt an diesem hellen Junitag und ließ die jugendliche Vitalität auf sich wirken. Er würde niemals eine weitere Großstadt sehen, dessen war er sich ziemlich sicher. Und möglicherweise war das auch nur gut so. Er hatte den Verdacht, dass nach New York alle anderen Städte eine Enttäuschung sein würden.
Der Wachmann – offenbar in Diensten der Tet Corporation, jedenfalls war es kein städtischer Friedenswächter – kam ihm auf dem Gehsteig entgegen. »Wenn Sie dort hineinwollen, Sir, gibt es da etwas, was Sie mir zuerst zeigen müssen.«
Roland holte den Patronengurt aus der Umhängetasche, wickelte ihn wieder einmal vom Holster und zog schließlich den Revolver seines Vaters. Diesmal machte er jedoch keine Anstalten, ihn aus der Hand zu geben, und das verlangte der Herr von ihm auch gar nicht. Er begutachtete lediglich die ziselierten Verzierungen, vor allem das Symbol in der Nähe der Mündung. Dann nickte er respektvoll und trat zurück. »Ich sperre Ihnen auf. Sobald Sie hineingehen, sind Sie auf sich allein gestellt. Das wissen Sie aber, nicht wahr?«
Roland, der sein Leben lang überwiegend auf sich allein gestellt gewesen war, nickte.
Bevor er weitergehen konnte, fasste Irene ihn
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