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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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nicht erzählen, wie schrecklich diese Träume gewesen waren; Träume, in denen er verwirrt und allein durch die moderigen Gänge eines Schlosses geirrt war, auf denen Spinnweben sein Gesicht gestreift hatten; dann das huschende Geräusch von etwas, was sich aus der Dunkelheit hinter ihm (oder vielleicht über ihm) näherte, und, unmittelbar vor dem Aufwachen, das Leuchten roter Augen und eine nicht menschliche Stimme, die »Vater« flüsterte.
    Die drei beobachteten ihn mit ernster Miene. Schließlich sagte Marian: »Hüte dich vor ihm, Roland. Fred Towne, unser Mann, den ich erwähnt habe, sagt: ›Mordred sein hongrig.‹ Er sagt, das sei ein wirklicher Hunger. Fred ist ein tapferer Bursche, aber er hat Angst vor deinem … deinem Feind.«
    Meinem Sohn, weshalb sagt sie das nicht?, dachte Roland, aber er glaubte, den Grund dafür zu kennen. Sie verzichtete darauf, das auszusprechen, um seine Gefühle zu schonen.
    Moses Carver stand auf und lehnte seinen Krückstock an den Schreibtisch seiner Tochter. »Ich hätte da noch etwas für Sie«, sagte er. »Allerdings etwas, was schon immer Ihnen gehört hat – Sie sollten es tragen und am Ziel niederlegen, wenn Sie’s schließlich erreichen.«
    Roland war ehrlich perplex und wurde noch verwirrter, als der Alte nun langsam sein Hemd aufzuknöpfen begann. Marian machte Anstalten, ihm dabei zu helfen, was er aber brüsk abwehrte. Unter dem Oberhemd kam das Trägerunterhemd eines alten Mannes zum Vorschein: ein Slinkum, wie der Revolvermann es genannt hätte. Darunter zeichnete sich etwas ab, was Roland sofort erkannte, etwas, was sein Herz für einen Schlag aussetzen ließ. In Gedanken war er wieder in dem Haus am See – Beckhardts Landhaus, Eddie an seiner Seite – und hörte sich sagen: Ihr tragt Tante Talithas Kreuz am Hals und zeigt es Sai Carver, wenn Ihr mit ihm zusammentrefft. Es wird ihn hoffentlich davon überzeugen, dass er Euch vertrauen kann. Aber zuvor …
    Das Kreuz hing jetzt an einer feingliedrigen Goldkette. Moses Carver zog es aus seinem Slinkum, betrachtete es einen Augenblick lang, sah mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen zu Roland auf und blickte dann wieder auf das Kreuz hinunter. Er blies darauf. Der Revolvermann bekam eine Gänsehaut, als nun ganz schwach und leise Susannahs Stimme zu hören war:
    »Wir haben Pimsy unter dem Apfelbaum begraben …«
    Dann verstummte sie. Sekundenlang herrschte Stille, und Carver, der jetzt die Stirn runzelte, wollte schon ein weiteres Mal darauf blasen. Aber das war nicht nötig. Bevor er dazu kam, war John Cullums Stimme in ihrer gedehnten Yankee-Sprechweise zu hören – nicht aus dem Kreuz selbst, sondern scheinbar aus der Luft dicht darüber.
    »Wir haben unser Bestes getan, Partner …« Paaadnah. »… und ich hoffe, dass es gut genug war. Tja, ich hab immer gewusst, dass es mir nur geliehen war, und jetzt soll’s also wieder zurück zu seinem rechtmäßigen Besitzer. Ihr wisst schon, wo es hingehört; ich …« Hier wurde die Stimme, die seit den Worten zu seinem rechtmäßigen Besitzer stetig schwächer geworden war, selbst für Rolands scharfe Ohren unverständlich. Trotzdem hatte er genug gehört. Er nahm Tante Talithas Kreuz, das er am Fuß des Dunklen Turms niederzulegen versprochen hatte, und hängte es sich um den Hals. Es war zu ihm zurückgekehrt, und warum auch nicht? War das Ka nicht ein Rad?
    »Ich danke Euch, Sai Carver«, sagte er. »Im eigenen Namen, in dem meines Ka-Tet, das einst war, und in dem der Frau, die es mir überlassen hat.«
    »Danken Sie nicht mir«, wehrte Moses Carver ab. »Danken Sie John Cullum. Er hat mir das Kreuz auf dem Totenbett übergeben. Ein Mann aus Eisen, das war er.«
    »Ich …«, begann Roland, konnte dann aber sekundenlang nicht weitersprechen. Sein Herz war überschwer. »Ich danke euch allen«, sagte er schließlich. Er senkte den Kopf vor ihnen: mit geschlossenen Augen und an die Stirn gelegter rechter Faust.
    Als er die Augen wieder öffnete, streckte Moses Carver seine dünnen alten Arme nach ihm aus. »Nun wird’s aber Zeit, dass wir unserer Wege gehen und Sie Ihrer«, sagte er. »Umarmen Sie mich, Roland, küssen Sie mich zum Abschied auf die Wange, wenn’s beliebt, und denken Sie dabei an mein Mädchen, denn ich möchte ihr Lebewohl sagen, wenn Sie gestatten.«
    Roland tat wie geheißen, und in einer anderen Welt, in der Susannah gerade im Zug nach Fedic döste, hob sie eine Hand und berührte damit ihre Wange, weil es ihr so vorkam, als wäre

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