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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Kästchen.
     
     

12
     
    Auf dunkelblauem Samt (eine Farbe, die sie vielleicht oder auch nicht als die Farbe des Königshofs von Gilead kannten) ruhte darin eine Taschenuhr mit aufgewickelter Uhrkette. In den goldenen Sprungdeckel waren drei Objekte eingraviert: ein Schlüssel, eine Rose und – zwischen ihnen und etwas höher – ein Turm, dessen winzige Fenster sich spiralförmig über die Außenmauer nach oben wanden.
    Roland stellte verwundert fest, dass seine Augen sich wieder einmal mit Tränen füllten. Als er die anderen wieder ansah – zwei junge Frauen und einen alten Mann, Herz und Gehirn der Tet Corporation –, erblickte er zunächst sechs statt drei Personen. Er blinzelte, um die Phantomdoubles verschwinden zu lassen.
    »Lesen Sie, was innen auf dem Deckel steht«, forderte Moses Carver ihn auf. »Und in dieser Gesellschaft braucht man seine Tränen nicht zu verbergen, Sohn des Steven, wir sind nämlich nicht die Maschinen, durch die andere uns ersetzen würden, wenn sie ihren Willen bekämen.«
    Roland sah, dass der Alte wahrhaftig sprach, weil auch über seine verwitterten dunklen Wangen nun Tränen liefen. Nancy Deepneau weinte, ohne sich deswegen zu schämen. Und obwohl Marian Carver bestimmt stolz darauf war, aus härterem Holz geschnitzt zu sein, glänzten auch ihre Augen verdächtig.
    Er drückte auf den in die Krone eingelassenen Knopf, worauf der Deckel aufsprang. Unter dem Glas zeigten fein gearbeitete Zeiger die Stunden und Minuten an – mit perfekter Genauigkeit, daran zweifelte Roland nicht. Im unteren Drittel kreiste auf einem eigenen Zifferblatt ein kleinerer Zeiger, der die Sekunden zählte. Innen auf dem Sprungdeckel war eingraviert:
     
    ZU HÄNDEN VON ROLAND DESCHAIN
    von
    MOSES ISAAC CARVER
    MARIAN ODETTA CARVER
    NANCY REBECCA DEEPNEAU
     
    als Zeichen unseres Dankes
     
    Weiß über Rot, so will GOTT es ewiglich
     
    »Danke-sai«, sagte Roland mit heiserer, zitternder Stimme. »Ich danke euch, und meine Freunde würden das auch tun, könnten sie alle hier sein.«
    »In unseren Herzen sind sie da, Roland«, sagte Marian. »Und auf deinem Gesicht sehen wir sie sehr wohl.«
    Moses Carver lächelte wieder. »In unserer Welt bedeutet es etwas ganz Bestimmtes, Roland, wenn ein Mann eine goldene Uhr geschenkt bekommt.«
    »Und das wäre?«, sagte Roland. Er hielt sich die Taschenuhr – bestimmt die bei weitem beste Uhr, die er je in seinem Leben gesehen hatte – ans Ohr und horchte auf das präzise, zarte Ticken ihres Werks.
    »Dass seine Arbeit getan ist, dass es Zeit für ihn wird, angeln zu gehen oder mit seinen Enkeln zu spielen«, antwortete Nancy Deepneau. »Aber wir haben sie Ihnen aus einem anderen Grund geschenkt. Sie soll die Stunden bis zu Ihrem Ziel zählen und Ihnen sagen, wann Sie in seiner Nähe sind.«
    »Und das kann sie?«
    »In New Mexico haben wir einen außergewöhnlichen Guten-Geist-Telepathen namens Fred Towne«, sagte Marian. »Er sieht sehr viel und irrt sich nie – beziehungsweise fast nie. Bei der Uhr handelt es sich um eine Patek Philippe, Roland. Sie hat neunzehntausend Dollar gekostet, und der Hersteller garantiert die Rücknahme zum vollen Kaufpreis, sollte sie jemals vor- oder nachgehen. Sie braucht nicht aufgezogen zu werden, weil sie mit einer Batterie läuft – nicht von North Central Positronics oder einer ihrer Tochtergesellschaften, das kann ich dir versichern –, die hundert Jahre hält. Fred meint allerdings, dass die Uhr beim Annähern an den Dunklen Turm trotzdem stehen bleiben könnte.«
    »Oder anfangen, rückwärts zu laufen«, sagte Nancy. »Darauf sollten Sie achten.«
    »Das werden Sie bestimmt tun, was?«, sagte Moses Carver.
    »Aye«, antwortete Roland. Er verstaute die Uhr (nach einem weiteren langen Blick auf die Gravuren auf dem goldenen Sprungdeckel) in einer seiner Taschen und das Holzkästchen dann in einer anderen. »Ich werde diese Uhr sehr aufmerksam beobachten.«
    »Du solltest auch auf etwas anderes achten«, sagte Marian. »Mordred.«
    Roland wartete.
    »Wir haben Grund zu der Annahme, dass er den von dir Walter genannten Mann umgebracht hat.« Sie hielt inne. »Und wie ich sehe, überrascht dich das nicht. Darf ich fragen, weshalb nicht?«
    »Walter hat inzwischen meine Träume verlassen, nicht anders als die Schmerzen meine Hüfte und meinen Kopf verlassen haben«, sagte Roland. »Zuletzt ist er mir in einem Traum erschienen, den ich in Calla Bryn Sturgis hatte – in der Nacht des Balkenbebens.« Er würde ihnen

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