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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ihren Revolver nicht bei sich. Als sie nach dem Abendessen ins Wohnzimmer zurückgekehrt waren, hatte Joe darauf bestanden, dass sie den La-Z-Boy-Liegesessel bekam, und sie hatte den Revolver auf die Zeitschriften auf dem Beistelltisch gelegt, nachdem sie die Trommel gedreht und die Patronen herausgenommen hatte. Die Patronen hatte sie in der Tasche.
    Sie riss die Badezimmertür auf und hastete ins Wohnzimmer zurück. Roland, dessen Gesicht grausig purpurrot verfärbt war, lag zwischen Couch und Fernseher auf dem Fußboden. Er krallte mit beiden Händen nach seinem geschwollenen Hals, lachte aber noch immer. Ihr Gastgeber stand über ihm, und Susannah fiel als Erstes auf, dass sein Haar – dieses babyfeine, schulterlange weiße Haar – jetzt fast schwarz war. Auch die Falten um Mund und Augen waren verschwunden. Joe Collins sah nicht mehr nur zehn Jahre, sondern zwanzig bis dreißig Jahre jünger aus.
    Dieser Hundesohn.
    Dieser Hundesohn von einem Vampir.
    Oy sprang ihn an und verbiss sich dicht über dem Knie in Joes linkes Bein. »Fünfunzwanzich, vierunsechzich, neunzehn. Wer bietet mehr!«, rief Joe fröhlich und schlenkerte dabei das Bein – jetzt so gelenkig wie Fred Astaire. Oy flog durch die Luft, knallte gegen die Wand und riss im Fallen eine Plakette mit der Aufschrift GOTT SEGNE UNSER HEIM herunter. Joe wandte sich wieder Roland zu.
    »Wenn du mich fragst«, sagte er, »brauchen Frauen immer einen Grund, um Sex zu wollen.« Joe stellte einen Fuß auf Rolands Brust – wie ein Großwildjäger bei seiner Trophäe, dachte Susannah. »Männer dagegen brauchen bloß eine Gelegenheit! Bing!« Er ließ die Augen hervortreten. »Das Dumme an Sex ist, dass Gott den Männern ein Gehirn und einen Pimmel, aber nur so viel Blut gibt, um entweder das eine oder das andere zu betrei …«
    Er bekam gar nicht mit, wie Susannah zu dem La-Z-Boy hoppelte und sich hinaufzog, um groß genug zu sein; er war zu sehr auf das, was er tat, konzentriert. Susannah verschränkte beide Hände zu einer einzigen Faust, hob sie bis auf Höhe ihrer rechten Schulter und schlug dann mit voller Kraft seitlich zu. Ihre Doppelfaust traf Joes Schläfe mit solcher Gewalt, dass er fortgeschleudert wurde. Sie hatte jedoch harte Knochen getroffen, weshalb die Schmerzen in ihren Händen fast unerträglich waren.
    Joe taumelte, schwenkte die Arme, um das Gleichgewicht zu bewahren, und sah sich nach ihr um. Die hochgezogene Oberlippe ließ seine Zähne sehen – völlig gewöhnliche Zähne, aber wen wunderte das? Er gehörte nicht zu den Vampiren, die vom Blut ihrer Opfer lebten. Schließlich waren sie hier in Empathica. Das Gesicht, das diese Zähne umgab, veränderte sich nun: Es wurde dunkler, zog sich zusammen, verwandelte sich in etwas, was nichts Menschenähnliches mehr an sich hatte. Es war das Gesicht eines psychotischen Clowns.
    »Du«, sagte er, aber bevor er weitersprechen konnte, war Oy wieder bei ihm. Diesmal brauchte der Bumbler nicht zuzubeißen, weil ihr Gastgeber noch immer torkelte. Oy duckte sich nur hinter den Füßen des Wesens zusammen, und Dandelo fiel über ihn, wobei seine Flüche abrupt verstummten, als er mit dem Kopf aufschlug. Wäre der Flickenteppich nicht gewesen, der den Hartholzboden bedeckte, hätte er bei diesem Sturz vermutlich das Bewusstsein verloren. Aber so richtete er sich fast augenblicklich wieder auf und sah sich in sitzender Haltung benommen um.
    Susannah kniete neben Roland, der sich ebenfalls aufzusetzen versuchte, was ihm jedoch nicht so gut gelang. Sie griff nach seinem Revolver, aber er hielt ihre Hand fest, bevor sie die Waffe aus dem Holster ziehen konnte. Als Dandelos Schatten über sie fiel, fühlte Susannah sich einer Panik nahe – reiner Instinkt, den man aber nicht einfach abstreifen konnte.
    »Du Schlampe, ich werd dich lehren, einen Mann zu unterbrechen, wenn er …«
    »Roland, lass los!«, kreischte sie, und er ließ los.
    Dandelo ließ sich fallen, wollte auf Susannah landen und den Revolver zwischen ihnen einklemmen, aber sie war etwas zu schnell für ihn. Sie wälzte sich zur Seite, sodass er stattdessen auf Roland landete. Susannah hörte ein gequältes Uff!, weil dem Revolvermann, der kaum wieder zu Atem gekommen war, nun der letzte Rest Luft aus der Lunge gepresst wurde. Sie richtete sich, keuchend auf einen Ellbogen gestützt, auf und zielte mit dem Revolver auf das obenauf liegende Wesen, in dem irgendeine grausige rasche Veränderung unterhalb seiner Kleidung vorging. Dandelo hob

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