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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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sogar. Die Geschwindigkeit, mit der er zeichnete, war unheimlich, und keiner der beiden Revolvermänner dachte jemals daran, ihm einen der abgeschnittenen Radiergummis zu geben, schien er doch keinen zu benötigen. Soweit Susannah das erkennen konnte, machte der Junge entweder nie Fehler oder integrierte etwaige Fehler derart geschickt in die Zeichnungen, dass sie zu – nun, wozu einen Ausdruck meiden, der vielleicht der richtige war? – kleinen Geniestreichen wurden. Die so entstehenden Zeichnungen waren eigentlich keine Skizzen, sondern fertige Kunstwerke. Susannah wusste, wie Patrick – dieser oder irgendein anderer Patrick aus einer anderen Welt – später mit Öl malen würde, und bei dem Gedanken daran lief es ihr heiß und kalt über den Rücken hinunter. Was hatten sie hier? Einen zungenlosen Rembrandt? Sie überlegte sich, dass er ihr zweiter Schwachsinniger mit einem besonderen Talent war. Ihr dritter, wenn man außer Sheemie auch Oy mitrechnete.
    Susannah dachte nur einmal flüchtig über sein fehlendes Interesse an Radiergummis nach und tat es als Arroganz eines Genies ab. Weder Roland noch sie kamen jemals auf die Idee, dass diese junge Version von Patrick Danville vielleicht noch gar nicht wisse, dass es so etwas wie Radiergummis überhaupt gab.
     
     

9
     
    In den Morgenstunden der dritten Nacht wachte Susannah auf dem Heuboden auf, sah Patrick friedlich neben sich schlafen und kletterte dann die Leiter hinunter. Roland stand bereits am Scheunentor, rauchte eine Zigarette und sah nach draußen. Es schneite nicht mehr. Der spät aufgegangene Mond stand am Himmel und verwandelte den Neuschnee an der Tower Road in ein glitzerndes Land aus stummer Schönheit. Die stille Luft war so kalt, dass Susannah die Feuchtigkeit in ihrer Nase knacken hörte. Weit in der Ferne war ein Motorengeräusch zu vernehmen, das näher zu kommen schien. Sie fragte Roland, ob er eine Ahnung habe, was das sei und was es für sie bedeuten könne.
    »Das dürfte der Roboter sein, den er Stotter-Bill genannt hat, der nach dem Schneesturm nun die Straßen räumt«, sagte er. »Vielleicht hat er wie die Wölfe eines dieser Antennendinger auf dem Kopf. Du erinnerst dich?«
    Sie erinnerte sich sehr wohl und sagte das auch.
    »Vielleicht verbindet ihn irgendeine besondere Treue mit Dandelo«, sagte Roland. »Das halte ich zwar nicht für sehr wahrscheinlich, aber es wäre wiederum auch nicht das Seltsamste, was ich je erlebt hätte. Halte dich für den Fall, dass er angriffslüstern ist, mit einem der Teller bereit. Ich werde mich mit meinem Revolver bereithalten.«
    »Aber du hältst das für wenig wahrscheinlich.« In diesem Punkt wollte sie hundertprozentige Klarheit.
    »Ich hoffe es nicht«, sagte Roland. »Er könnte uns mitnehmen, vielleicht ganz bis zum Turm. Oder jedenfalls bis zum jenseitigen Rand der Weißen Lande. Was nicht schlecht wäre, wo der Junge doch noch so schwach ist.«
    Das brachte sie auf eine Frage. »Wir bezeichnen ihn als Jungen, weil er jungenhaft aussieht«, sagte sie. »Für wie alt hältst du ihn denn wirklich?«
    Roland zuckte die Achseln. »Er sieht wie sechzehn oder siebzehn aus, könnte aber auch schon dreißig sein. Die Zeit hat sich seltsam verhalten, während die Balken angegriffen wurden; sie hat eigenartige Sprünge und Wendungen gemacht. Das kann ich wirklich bezeugen.«
    »Hat Stephen King ihn uns geschickt?«
    »Das weiß ich nicht, nur dass er von ihm gewusst hat, das ist sicher«. Er hielt kurz inne. »Der Turm ist so nahe! Spürst du ihn nicht auch?«
    Das tat sie, und zwar unaufhörlich. Manchmal pulsierte er, manchmal sang er, ziemlich oft tat er beides gleichzeitig. Zudem hing die Polaroidaufnahme weiterhin in Dandelos Hütte. Zumindest dieses Bild hatte nicht zum Glammer gehört. Im Traum sah sie jede Nacht mindestens einmal den Turm, wie er auf diesem Bild am Ende seines Bosenfeldes stand: rußig-grauschwarzer Stein, der in einen unruhigen Himmel aufragte, an dem die Wolken entlang den beiden noch existierenden Balken in vier Himmelsrichtungen auseinander strömten. Sie wusste, was die Stimmen sangen – commala! commala! commala-come-come! –, aber sie glaubte nicht, dass dieser Lockruf ihr galt, für sie bestimmt war. Nein, niemals, nie im Leben; dies war Rolands Lied, und es gehörte Roland allein. Aber sie hatte zu hoffen angefangen, dass es nicht unbedingt bedeutete, sie werde zwischen hier und dem Ende ihrer Suche sterben müssen.
    Sie hatte in letzter Zeit eigene

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