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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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unmittelbar hineinsehen konnte.
    Das Tor zu Gan, dachte er, ohne recht zu wissen, was das bedeutete, war seiner Sache aber trotzdem sicher. Aye, das Tor zu Gan, gewisslich wahr!
    Diese Rose unterschied sich allerdings doch in einem wichtigen Punkt von der auf dem unbebauten Grundstück: Die von leisen dissonanten Stimmen begleitete Ausstrahlung von Krankheit war verschwunden. Die hiesige Rose strotzte nur so von Gesundheit, sie war voller Licht und Liebe. Sie und all die anderen … sie … sie mussten …
    Sie nähren die Balken, nicht wahr? Mit ihren Liedern und ihrem Duft. Wie die Balken sie nähren. Es ist ein lebendes Kraftfeld, ein Geben und Nehmen, das alles vom Turm ausgeht. Und sie ist nur die erste, der äußerste Vorposten. Auf dem Can’-Ka No Rey stehen zehntausende genau wie sie.
    Der Gedanke ließ ihn vor Staunen schwach werden. Dann kam ein weiterer, der ihn mit Zorn und Angst erfüllte: Der Einzige, der diese große rote Fläche nun vor Augen hatte, war ein Wahnsinniger. Der alle Rosen im Nu vernichten würde, wenn er nur Gelegenheit dazu erhielte.
    Er fühlte eine zaghafte Hand auf seiner Schulter. Es war Patrick, dem Oy bei Fuß gefolgt war. Patrick zeigte auf das Gras um die Rose herum und machte eine Essbewegung. Deutete auf die Rose und machte Zeichenbewegungen. Roland war nicht besonders hungrig, aber der andere Vorschlag des Jungen gefiel ihm sehr.
    »Ja«, sagte er. »Wir essen hier einen Happen, und danach halte ich vielleicht eine kleine Siesta, während du die Rose zeichnest. Und würdest du dann bitte gleich zwei Zeichnungen von ihr machen, Patrick?« Er hielt zwei der drei verbliebenen Finger seiner Rechten hoch, um sicherzugehen, dass Patrick ihn auch richtig verstand.
    Der Junge runzelte die Stirn und legte den Kopf schräg. Offenbar verstand er noch immer nicht. Das Haar hing ihm als glänzender Vorhang auf die Schulter herab. Roland musste daran denken, wie Susannah es in einem Bach gewaschen hatte, ohne sich um das Protestgeschrei des Jungen zu kümmern. Das Haarewaschen gehörte zu den Dingen, auf die Roland nie gekommen wäre, aber seither sah der junge Bursche deutlich besser aus. Trotz des Liedes der Rose vermisste er beim Anblick dieses glänzenden Haars auf einmal auch wieder Susannah. Sie hatte Anmut in sein Leben gebracht. Ein Begriff, der ihm, bevor sie fort war, nie in den Sinn gekommen wäre.
    Aber jetzt musste er sich wieder um Patrick kümmern: ein unglaublich begabter Knabe, aber schrecklich schwer von Begriff.
    Roland deutete auf den Zeichenblock, dann auf die Rose. Patrick nickte – so viel hatte er kapiert. Dann hielt Roland zwei Finger seiner gesunden Hand hoch und deutete nochmals auf den Block. Diesmal bekam Patrick einen leuchtenden Blick. Er zeigte auf die Rose, auf den Block, auf Roland und zuletzt auf sich.
    »So ist’s recht, Großer«, sagte Roland. »Ein Bild von der Rose für dich und eines für mich. Sie ist schön, findest du nicht auch?«
    Patrick nickte eifrig und machte sich dann an die Arbeit, während Roland ihr Mittagessen zubereitete. Auch diesmal machte er drei Teller zurecht, aber auch diesmal verweigerte Oy die Nahrungsaufnahme. Als Roland in die goldgeränderten Augen des Bumblers blickte, sah er darin eine Leere – eine Art Verlust –, die ihn in seinem Innersten schmerzte. Und Oy durfte nicht mehr viele Mahlzeiten auslassen; er war ohnehin schon viel zu mager. Er ging vom vielen Wandern auf dem Zahnfleisch, hätte Cuthbert gesagt, vermutlich lächelnd. Heißes Sassafrasöl und Salz hätten ihm vielleicht wieder aufgeholfen. Aber der Revolvermann hatte nichts dergleichen bei sich.
    »Warum siehst du mich so an?«, fragte Roland den Bumbler mürrisch. »Wenn du mit ihr gehen wolltest, hättest du das tun sollen, als du Gelegenheit dazu hattest! Willst du mich jetzt etwa ewig mit deinem traurigen Hundeblick verfolgen?«
    Oy erwiderte seinen Blick noch eine Sekunde länger, und Roland sah, dass er die Gefühle des kleinen Kerls verletzt hatte: lächerlich, aber wahr. Dann trollte Oy sich mit trübselig herabhängendem Ringelschwanz. Der Revolvermann hätte ihn am liebsten zurückgerufen, aber das wäre nun wohl noch lächerlicher gewesen. Was hätte er tun wollen? Sich bei einem Billy-Bumbler entschuldigen?
    Er ärgerte sich über sich selbst, fühlte sich nicht wohl in seiner Haut: Empfindungen, unter denen er nie gelitten hatte, bevor er Eddie, Susannah und Jake von der Amerika-Seite in sein Leben herübergezogen hatte. Vor ihrer Ankunft

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