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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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und schwerer auf ihn herab, bis sie wie ein Mantel aus Stein auf ihm lastete. Alte Gesichter und alte Orte zogen vor seinen bleischweren Lidern vorbei: Susan, die in halsbrecherischem Tempo über die Schräge galoppierte, wobei ihr blondes Haar hinter ihr herwehte; Cuthbert, der auf ganz ähnliche Weise schreiend und lachend den Jericho Hill hinabstürmte; Alain Johns, der sein Glas hob, um einen Trinkspruch auszubringen; Eddie und Jake, die sich grölend im Gras rauften, während Oy sie wild kläffend umrundete.
    Mordred war irgendwo dort draußen, ganz nahe, aber Roland nickte trotzdem immer wieder ein. Er schrak jedes Mal wieder auf, starrte irr in die Dunkelheit, die ihn auf allen Seiten umgab, und merkte betroffen, dass er der Grenze zur Bewusstlosigkeit wieder etwas näher gekommen war. Jedes Mal erwartete er zu sehen, wie die Spinne mit dem roten Mal am Unterleib sich auf ihn stürzte, sah dann aber nichts als die in der Ferne tanzenden orangeroten Hobs. Hörte nichts außer dem Seufzen des Windes.
    Aber er wartet. Er lauert. Und wenn ich schlafe – falls ich schlafe –, überfällt er uns.
    Gegen drei Uhr morgens riss er sich mit reiner Willenskraft aus einem Dämmern, das kurz davor war, ihn in tieferen Schlaf zu stürzen. Er sah sich verzweifelt um und rieb sich dabei die Augen so kräftig mit den Handballen, dass Mirke, Vauder und Sankofite in seinem Gesichtsfeld zu explodieren schienen. Das Feuer war sehr weit heruntergebrannt. Patrick lag ungefähr zehn Schritte davon entfernt im knorrigen Wurzelbereich einer Pappel. Aus Rolands Blickwinkel war der Junge nur ein mit Fellen bedeckter Klumpen. Von Oy war im Augenblick nichts zu sehen. Roland rief den Bumbler, ohne jedoch eine Antwort zu bekommen. Der Revolvermann wollte eben aufstehen, als er Jakes alten Freund etwas außerhalb des Lichtscheins des herabgebrannten Feuers entdeckte – oder zumindest das Glitzern seiner goldgeränderten Augen. Diese Augen betrachteten Roland einige Sekunden lang, dann verschwanden sie, vermutlich weil Oy die Schnauze wieder auf die Pfoten sinken ließ.
    Auch er ist müde, dachte Roland, aber wer sollte ihm das verdenken.
    Die Frage, was nach dem morgigen Tag aus Oy werden sollte, versuchte an die Oberfläche des beunruhigten, ermatteten Verstandes des Revolvermanns aufzusteigen, aber Roland schob sie beiseite. Er rappelte sich auf (in seiner Abgespanntheit glitt seine Rechte zu der ehemals gepeinigten Hüfte hinab, als erwartete er, dort noch Schmerzen zu finden), ging zu Patrick hinüber und rüttelte ihn wach. Das erforderte einige Anstrengung, aber schließlich öffneten sich die Augen des Jungen. Das genügte Roland jedoch nicht. Er packte den Jungen an den Schultern und zog ihn in eine sitzende Stellung hoch. Als Patrick sich wieder zurücksinken lassen wollte, schüttelte er ihn durch. Fest. Der Junge starrte Roland verständnislos benommen an.
    »Hilf mir, ein größeres Feuer zu machen, Patrick.«
    Dabei würde er zumindest etwas aufwachen. Und sobald das Feuer wieder hell brannte, würde Patrick für einige Zeit Wache halten müssen. Zwar gefiel Roland allein die Vorstellung nicht, weil er recht gut wusste, dass es gefährlich sein würde, Patrick die Nachtwache anzuvertrauen, aber zu versuchen, bis Tagesanbruch allein durchzuhalten, würde noch viel gefährlicher sein. Er brauchte jetzt Schlaf. Ein bis zwei Stunden würden genügen, und so lange würde Patrick bestimmt wach bleiben können.
    Patrick war gern bereit, etwas Holz aufzulesen und aufs Feuer zu werfen, aber er bewegte sich dabei wie ein Bougie – ein wiederbelebter Leichnam. Als das Feuer aber wieder hell brannte, sackte er auf seinem früheren Platz zusammen, ließ die Arme zwischen den knochigen Knien hängen und schien bereits wieder mehr zu schlafen als zu wachen. Roland überlegte, ob er den Jungen würde ohrfeigen müssen, damit er endlich wach wurde, und später würde er sich wünschen – verzweifelt wünschen –, er hätte genau das getan.
    »Patrick, hör mir zu.« Er hielt den Jungen an den Schultern gepackt und schüttelte ihn so kräftig, dass dessen langes Haar umherflog und ihm teilweise in die Augen fiel. Roland strich es ihm aus dem Gesicht. »Du musst mich als Wache ablösen. Nur für eine Stunde … nur bis ich … Kopf hoch, Patrick! Sieh nach oben! Götter, trau dich bloß nicht, jetzt wieder einzuschlafen! Siehst du ihn? Den hellsten Stern dort über uns?«
    Es war die Alte Mutter, auf die Roland zeigte, und Patrick nickte

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