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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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stets zu hören: Komm zu mir. Eile zu mir. Spute dich in deiner Zwittergestalt. Come-commala, du mein guter Sohn. Wir reißen den Turm nieder, wir zerstören alles Licht, und dann herrschen wir gemeinsam über die Dunkelheit.
    Komm zu mir.
    Komm.
     
     

2
     
    Gewiss befanden die drei, die noch übrig waren (vier, wenn er sich mitzählte), sich längst nicht mehr unter dem Schirm des Ka. Seit die Prim zurückgewichen war, hatte es kein Geschöpf wie Mordred Deschain mehr gegeben, eines, das halb Hume und halb Bestandteil dieser gehaltvollen und starken Ursuppe war. Einem Wesen dieser Art konnte das Ka bestimmt kein derart prosaisches Ende zugedacht haben wie jenes, das ihm jetzt drohte: Fiebertod durch Lebensmittelvergiftung.
    Roland hätte ihm von vornherein sagen können, dass es keine gute Idee war, das zu essen, was im Schnee neben Dandelos Scheune zu finden war; das hätte übrigens auch Robert Browning gekonnt. Bösartig oder nicht, echtes Pferd oder nicht, Lippy (vermutlich nach einem anderen, besser bekannten Gedicht von Browning mit dem Titel »Fra Lippo Lippi« benannt) war selbst ein krankes Tier gewesen, als Roland ihr Leben mit einer Kugel in den Kopf beendet hatte. Aber Mordred war in seiner Spinnengestalt gewesen, als er auf dieses Ding gestoßen war, das zumindest wie ein Pferd aussah, und fast nichts hätte ihn davon abbringen können, das Fleisch zu fressen. Erst als er wieder seine menschliche Gestalt angenommen hatte, hatte er sich unbehaglich gefragt, wieso an Dandelos knochiger alter Mähre so viel Fleisch hatte sein können und weshalb es so weich und warm, so voll von nicht geronnenem Blut gewesen war. Schließlich hatte sie in einer Schneewehe gelegen – und das seit einigen Tagen. Der Pferdekadaver hätte längst steif gefroren sein müssen.
    Dann begann das Erbrechen. Als Nächstes kam das Fieber – und damit der Kampf, sich nicht zurückzuverwandeln, bis er nahe genug an seinen Alten Weißen Daddy herangekommen war, um ihn in Stücke reißen zu können. Das Wesen, dessen Kommen seit Jahrtausenden vorhergesagt worden war (hauptsächlich von den Manni und meistens in ängstlichem Flüsterton), das Geschöpf, das zu einem Ungeheuer halb Mensch, halb Gott heranwachsen würde, die Kreatur, die das Ende der Menschheit und die Rückkehr der Prim beaufsichtigen würde … dieses Wesen war zu guter Letzt als naives, bösartiges Kind erschienen, das nun an einem Bauch voll vergiftetem Pferdefleisch starb.
    Damit konnte das Ka nichts zu schaffen haben.
     

3
     
    An dem Tag, an dem Susannah sie verlassen hatte, legten Roland und seine beiden Gefährten keine allzu weite Strecke zurück. Selbst wenn er sich kein großes Tagespensum vorgenommen hätte, weil er den Turm erst am nächsten Tag bei Sonnenuntergang erreichen wollte, wäre Roland nicht weit gekommen. Er war entmutigt, fast zu Tode erschöpft und fühlte sich einsam. Auch Patrick war müde, aber er konnte wenigstens fahren, wenn er wollte, und das tat er an diesem Tag auch ausgiebig, wobei er manchmal schlief und manchmal zeichnete, wenn er nicht für kurze Zeit neben Roland herging, um dann wieder auf Ho Fat II zu klettern und abermals zu schlafen.
    Den vom Turm kommenden pulsierenden Rhythmus konnte Roland im Kopf und im Herzen stark spüren, und sein Lied, das jetzt tausend Stimmen zu singen schienen, war mächtig und lieblich zugleich, aber nicht einmal diese Dinge konnten die Bleischwere aus seinen Knochen ziehen. Als er sich schließlich nach einem Platz im Schatten umsah, an dem sie rasten und ein leichtes Mittagessen einnehmen konnten (inzwischen war es eigentlich schon früher Nachmittag), entdeckte er jedoch dennoch etwas, was ihn vorübergehend alle Müdigkeit und allen Kummer vergessen ließ.
    Am Straßenrand wuchs eine Wildrose, anscheinend ein exakter Zwilling jener Rose auf dem unbebauten Grundstück in New York. Sie blühte entgegen der Jahreszeit, die Roland bestenfalls auf Vorfrühling taxierte. Das Hellrosa ihrer äußeren Blütenblätter wurde nach innen hin zu einem feurigen Rot – genau die Farbe eines Herzenswunsches, wie er fand. Er sank davor auf die Knie, brachte ein Ohr dichter an den rubinroten Blütenkelch heran und lauschte.
    Die Rose sang.
    Die Müdigkeit blieb, wie es nun einmal ihre Art war (wenigstens diesseits des Grabes), aber Einsamkeit und Traurigkeit verließen ihn, zumindest für kurze Zeit. Er blickte ins Herz der Rose und erkannte darin ein gelbes Zentrum, das so hell leuchtete, dass er nicht

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