Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
Mordred schleppte sich so mühsam dahin wie Roland, allerdings noch langsamer. Zwischendurch beugte er sich immer wieder vornüber, wenn Krämpfe ihn erfassten, und seine menschliche Gestalt begann zu wabern, während unter der Haut jene Schwärze an die Oberfläche kam, nur um dann wieder zurückzuweichen, und sein dicker Mantel sich zappelnd ausbeulte, weil die übrigen Beine hervorzukommen versuchten, nur um dann wieder schlaff herabzuhängen, sobald er sie mit gewaltiger Willensanstrengung zurückbeorderte, wobei er mit den Zähnen knirschte und vor Anstrengung stöhnte. Einmal schiss er sich eine Riesenladung einer stinkenden braunen Brühe in die Hose, und nachdem er es geschafft hatte, die Hose herunterzuziehen, ließ er sie gleich unten. Niemand hatte ihn zum Erntedank-Ball eingeladen, haha! Bestimmt war die Einladung auf dem Postweg verloren gegangen! Später, wenn es an der Zeit war, zum Angriff überzugehen, würde er den kleinen Roten König freilassen. Wenn das nämlich schon jetzt geschah, würde er sich – da war er sich ziemlich sicher – nicht wieder zurückverwandeln können. Er würde nicht die Kraft dazu haben. Der beschleunigte Stoffwechsel der Spinne würde die Übelkeit anfachen, so wie ein stürmischer Wind einen Buschbrand zu einer alles verzehrenden Feuerwalze anfacht. Was ihn nun langsam umbrachte, würde ihn stattdessen schnell umbringen. Deshalb kämpfte er dagegen an, und nachmittags fühlte er sich auch schon etwas besser. Das Pulsieren des Turms wurde jetzt merklich stärker, nahm an Intensität und Dringlichkeit zu. Das galt auch für die Stimme seines Roten Daddys, die ihn antrieb, die ihn ermahnte, in Angriffsentfernung zu bleiben. Der Alte Weiße Revolvermann-Daddy hatte nun schon seit Wochen nicht mehr als vier Stunden Schlaf pro Nacht bekommen, weil er sich den Wachdienst mit der jetzt abgehauenen Schwarzdrossel-Mami geteilt hatte. Die Schwarzdrossel-Mami dagegen hatte diesen Karren natürlich nie ziehen müssen, was? Nein, die war nur wie Königin Scheiß von Kackhaufen darauf spazieren gefahren, hu! Was nichts anderes bedeutete, als dass der Alte Weiße Revolvermann-Daddy verdammt übermüdet war, selbst wenn das Pulsieren des Dunklen Turms ihn jetzt anspornte und vorantrieb. Heute Nacht würde der Alte Weiße Daddy sich entweder darauf verlassen müssen, dass der Künstler und der Köter die erste Wache gemeinsam standen, oder versuchen müssen, sie ganz allein zu übernehmen. Mordred selbst hingegen traute sich eine weitere Nacht ohne Schlaf zu, einfach weil er wusste, dass dies seine allerletzte sein würde. Er würde sich ganz nahe heranschleichen, so wie er’s schon vergangene Nacht getan hatte. Er würde ihr Lager mit den weit blickenden Glasaugen des alten Mensch-Monsters beobachten. Und wenn sie dann alle schliefen, würde er sich ein letztes Mal verwandeln und über sie herfallen. Hoppla, jetzt komm ich, hu! Der Alte Weiße Daddy würde vielleicht gar nicht aufwachen, obwohl Mordred hoffte, dass er das tat. Ganz zum Schluss. Eben lange genug, um zu erkennen, was mit ihm geschah. Bloß lange genug, um zu begreifen, dass sein Sohn ihn nur wenige Stunden, bevor er seinen kostbaren Dunklen Turm erreicht hätte, ins Land des Todes beförderte. Mordred ballte die Fäuste und beobachtete, wie seine Finger schwarz wurden. Er spürte das grässliche, aber doch auch angenehme Jucken auf beiden Körperseiten, mit dem die Spinnenbeine durchzubrechen versuchten – sieben statt acht, wegen der schlimmengemeinenabscheulichen Schwarzdrossel-Mami, die zugleich schwanger und nicht schwanger gewesen war, und die sollte ruhig bis in alle Ewigkeit schreiend im Flitzerraum verfaulen (oder wenigstens so lange, bis einer der dort hausenden Großen sie fand). Er bekämpfte und beförderte die Verwandlung in seine Spinnengestalt mit gleicher Wut. Zuletzt bekämpfte er sie nur noch, und der Drang, sich zu verwandeln, ließ nach. Er gab einen Siegesfurz von sich, aber obgleich lang und äußerst übelriechend, war er lautlos. Sein Arschloch war jetzt eine kaputte Quetschkommode, die keine Musik mehr machen, sondern nur noch ächzen konnte. Seine Finger nahmen wieder ihre normale rosig-weiße Färbung an, und das beide Körperseiten hinauf- und hinunterlaufende Jucken verschwand. Vom Fieber war ihm schwindelig, und ihm dröhnte der Kopf; seine dünnen Arme (kaum mehr als Haut und Knochen) schmerzten vor Schüttelfrost. Die Stimme seines Roten Daddys war manchmal laut und manchmal leise, aber
Weitere Kostenlose Bücher