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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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bewahrte, sein Leben und sein Schicksal in die Hände des begabten, aber nicht besonders hellen Jungen an seiner Seite legen zu müssen. Als die Sonne sich dem westlichen Horizont zu nähern begann und das Blau über ihm dunkler wurde, wusste er jedoch, dass es keine andere Möglichkeit gab. Die Zeiger der Taschenuhr liefen immer schneller rückwärts. Bald würden sie sich rasend schnell drehen. Und wenn sie das zu tun begannen, würde er gehen. Das würde er tun, ohne sich um die Schnaatze (und was konnte der Wahnsinnige sonst noch groß in petto haben?) zu kümmern. Er würde rennen, er würde Haken schlagen, er würde sich notfalls zu Boden werfen und kriechen, aber unabhängig davon, was er alles versuchte, würde er Glück haben müssen, um auch nur die Hälfte der Entfernung zum Dunklen Turm zurückzulegen, bevor er aus den Stiefeln gepustet wurde.
    Er würde zwischen den Rosen sterben.
    »Patrick«, sagte er. Seine Stimme war heiser.
    Patrick sah mit verzweifelter Heftigkeit zu ihm auf. Roland starrte die Hände des Jungen an – schmutzig, schorfig, aber auf ihre Weise ebenso unglaublich talentiert wie seine eigenen – und gab nach. Er war sich bewusst, dass er nur aus Stolz so lange ausgehalten hatte; er hatte den Scharlachroten König töten, nicht nur in irgendeine Nullzone befördern wollen. Und natürlich gab es keine Garantie dafür, dass Patrick dem König das antun konnte, was er mit Susannahs Gesicht vorgemacht hatte. Aber die Anziehungskraft des Turms würde bald unwiderstehlich stark werden, und alle sonstigen Möglichkeiten waren nunmehr erschöpft.
    »Tausch den Platz mit mir, Patrick.«
    Patrick gehorchte, indem er vorsichtig über Roland hinwegkroch. Damit gelangte er an die Kante der Pyramide, die der Straße am nächsten war.
    »Sieh durch den Weit-Seher. Leg ihn auf den kleinen Vorsprung hier – ja, genau so – und sieh genau hin.«
    Patrick tat wie geheißen, und Roland hatte das Gefühl, dass der Junge endlos lang durch das Fernglas starrte. Unterdessen sang und lockte und schmeichelte die Stimme des Turms weiter. Endlich sah Patrick wieder zu Roland hinüber.
    »Nimm jetzt deinen Block zur Hand, Patrick. Zeichne jenen Menschen.« Der Scharlachrote König war zwar kein Mensch, aber immerhin sah er wie einer aus.
    Zunächst sah Patrick jedoch nur weiterhin Roland an und biss sich dabei auf die Unterlippe. Schließlich nahm er den Kopf des Revolvermanns in beide Hände und brachte sein Gesicht so dicht an das Rolands heran, dass ihre Stirnen sich fast berührten.
    Sehr schwierig, flüsterte eine Stimme tief in Rolands Verstand. Das war keineswegs die Stimme eines Jungen, sondern die eines erwachsenen Mannes. Eines starken Mannes. Er ist nicht ganz da. Er verdunkelt sich. Er verfärbt sich.
    Wo hatte Roland diese Worte schon einmal gehört?
    Keine Zeit, jetzt darüber nachzudenken.
    »Soll das heißen, dass du’s nicht kannst?«, fragte Roland und verlieh seiner Stimme dabei (mit einiger Anstrengung) einen ungläubigen, enttäuschten Unterton. »Dass du’s nicht kannst? Dass Patrick es nicht kann? Der Künstler es nicht kann?«
    Patricks Blick veränderte sich. In seinen Augen sah Roland sekundenlang den Ausdruck, der ständig in ihnen stehen würde, wenn er zu einem Mann heranwuchs … und die Gemälde in Savres Büro bewiesen, dass er das – zumindest auf irgendeiner Zeitspur, in irgendeiner Welt – tun würde. Wenigstens alt genug, um das zu malen, was er an diesem Tag gesehen hatte. Dieser Ausdruck würde Künstlerstolz sein, falls er zu einem alten Mann heranwuchs, dessen große Begabung durch ein wenig Weisheit ergänzt wurde; jetzt war es bloß Arroganz. Der Blick eines Jungen, der weiß, dass er schneller als der Blitz ist, dass er der absolut Beste ist, und der nichts anderes wissen will. Roland kannte diesen Blick recht gut, denn war er ihm nicht aus hundert Spiegeln und stillen Tümpeln begegnet, als er so jung gewesen war wie Patrick Danville heute?
    Ich kann’s, sagte die Stimme in Rolands Kopf. Ich sage nur, dass es nicht einfach sein wird. Ich werde den Radiergummi brauchen.
    Roland schüttelte sofort den Kopf. Er schloss die Finger um den Rest des rosa Gummistücks in seiner Brusttasche und hielt ihn fest umklammert.
    »Nein«, sagte er. »Du musst ohne ihn auskommen, Patrick. Jeder Strich muss beim ersten Mal sitzen. Das Radieren kommt später.«
    Der arrogante Blick wurde für eine Sekunde unsicher, aber das dauerte nur einen Moment. Als er dann zurückkehrte, wurde

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