Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
sprach auf ernste Weise mit Wasser-Maerlyn. Wasser-Maerlyn verbeugte sich und trat in das Haus zurück – das seine Form ständig zu verändern schien (was jedoch am Wasser liegen mochte). Der Zauberer kam mit einem schwarzen Tuch zurück, das aus Seide zu sein schien. Er hob es an die Augen, um seine Verwendung zu demonstrieren: eine Augenbinde. Er hielt es Wasser-Tim hin, aber bevor der andere Tim es nehmen konnte, fiel wieder Nebel ein. Als er sich verzog, sah Tim nur noch sein eigenes Gesicht und einen über ihn hinwegfliegenden Vogel, der es wahrscheinlich eilig hatte, vor Sonnenuntergang in sein Nest zu kommen.
Tim bewegte den Zauberstab ein drittes Mal über dem Eimer und merkte diesmal trotz seiner anhaltenden Faszination, wie der Stahl vibrierte. Als der Nebel sich auflöste, sah er Wasser-Tim bei Wasser-Nell auf der Bettkante sitzen. Ihre Augen waren mit der Augenbinde bedeckt. Als Wasser-Tim sie ihr abnahm, ging ein ungläubiges freudiges Aufleuchten über Wasser-Nells Gesicht. Sie drückte ihn lachend an sich. Auch Wasser-Tim lachte.
Dann verschleierte Nebel diese Vision wie schon die beiden vorigen. Der Stahlstab hatte zu vibrieren aufgehört. Wertlos wie Dreck, dachte Tim, und das war wohl wahr. Als der Nebel sich auflöste, zeigte das Wasser in dem Eimer ihm nichts Wunderbareres als den dunkler werdenden Abendhimmel. Er schwenkte den Zauberstab des Zöllners noch mehrmals über dem Eimer, ohne dass etwas passierte. Aber das war in Ordnung. Er wusste jetzt, was er zu tun hatte.
Tim stand auf und blickte zum Haus hinüber, sah aber niemand. Dennoch, die Freiwilligen, die sich zum Wachdienst gemeldet hatten, würden bald kommen. Er würde sich beeilen müssen.
In der Scheune fragte er Bitsy, ob sie wieder Lust auf einen nächtlichen Ausritt habe.
Die Witwe Smack
war von ihren ungewohnten Anstrengungen hinsichtlich Nell Ross erschöpft, aber sie war auch alt und krank und von dem so gar nicht der Jahreszeit entsprechenden Wetter beunruhigter, als sie das wahrhaben wollte. Deshalb wachte sie sofort auf, obwohl Tim (der sich gewaltig hatte überwinden müssen, sie nach Sonnenuntergang zu stören) sich nicht getraut hatte, laut an ihre Tür zu klopfen.
Sie nahm eine Lampe mit, und als sie in deren Licht sah, wer dort stand, sank ihr Mut. Hätte die degenerative Krankheit, an der sie litt, ihr nicht die Fähigkeit geraubt, aus dem verbliebenen Auge zu weinen, hätte sie beim Anblick dieses jungen Gesichts, so voller törichter Vorsätze und tödlicher Entschlossenheit, Tränen vergossen.
»Du willst in den Wald zurück«, sagte sie.
»Aye.« Tim sprach leise, aber mit fester Stimme.
»Trotz allem, was ich dir gesagt habe.«
»Aye.«
»Er hat dich verzaubert. Und weshalb? Aus Gewinnsucht? Nay, der nicht. Er hat im Dunkel dieses vergessenen Landstrichs unserer Baronie ein helles Licht entdeckt und wird nicht eher ruhen, bis es ausgelöscht ist.«
»Sai Smack, er hat mir gezeigt, wie …«
»Bestimmt etwas, was mit deiner Mutter zusammenhängt. Er weiß, wo er den Hebel ansetzen muss, um Leute zu bewegen; aye, darauf versteht sich keiner besser. Er besitzt den Zauberschlüssel zu ihrem Herzen. Ich weiß, dass ich dich nicht mit ein paar Worten von deinem Vorhaben abbringen kann, denn auch ein Auge allein genügt, deinen Gesichtsausdruck richtig zu deuten. Und ich weiß, dass ich dich nicht mit Gewalt aufhalten kann – und du weißt es auch. Weshalb wärst du sonst zu mir gekommen, um dir zu holen, was immer du brauchst?«
Als sie das sagte, wirkte Tim sichtlich verlegen, aber so entschlossen wie zuvor, und das zeigte ihr, dass er für sie tatsächlich verloren war. Und noch schlimmer: Wahrscheinlich war er auch für sich selbst verloren.
»Was willst du also?«
»Ihr sollt nur meiner Mutter etwas ausrichten, wenn’s Euch beliebt. Sagt ihr, dass ich in den Wald gegangen bin und mit etwas zurückkommen werde, was sie wieder sehend machen wird.«
Dazu sagte Sai Smack erst einmal nichts. Stattdessen betrachtete sie ihn nur durch ihren Schleier. Im Licht der erhobenen Lampe konnte Tim die zerstörte Geografie ihres Gesichts weit besser erkennen, als er das wollte. Schließlich sagte sie: »Warte hier. Verschwinde nicht, ohne Abschied zu nehmen, sonst müsste ich dich für einen Feigling halten. Sei auch nicht ungeduldig. Du weißt ja, wie langsam ich bin.«
Obwohl Tim darauf brannte, endlich aufzubrechen, wartete er, wie sie es verlangte. Die Sekunden erschienen ihm wie Minuten, die Minuten
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