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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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spähte vorsichtig hinaus. Der Gittermast über dem Dogan hatte nachgegeben. Während Tim fasziniert zusah, wurde seine leichte Neigung stärker. Auf einmal flog der Turm fast schneller auseinander, als man das wahrnehmen konnte. Eben war er noch da; im nächsten Augenblick war er eine Wolke aus Stahlträgern, die der Wind in die breite Schneise warf, wo noch vor wenigen Stunden ein Eisenholzwald gestanden hatte.
    Als Nächstes stürzt der Dogan ein, dachte Tim, aber das geschah nicht.
    Der Dogan blieb unverrückt stehen wie schon seit tausend Jahren.

Es war eine unvergessliche Nacht,  
    die aber so außergewöhnlich seltsam war, dass er sie nie beschreiben konnte … oder sich auch nur so nüchtern an sie erinnern konnte, wie wir uns an gewöhnliche Ereignisse in unserem Leben erinnerten. Ganz verstand er sie nur in seinen Träumen, und er träumte zeit seines Lebens von dem Stoßwind. Zum Glück waren das keine Albträume. Es waren gute Träume, in denen er das Gefühl hatte, sicher geborgen zu sein.
    Unter der großen Decke war es warm, und die schlafende Masse seines Bettgenossen sorgte für noch mehr Wärme. Einmal schlug er die Decke so weit zurück, dass er draußen die Myriaden von Sternen am Himmel glänzen sehen konnte – viel mehr an der Zahl, als er jemals welche gesehen hatte. Es war, als hätte der Sturm winzige Löcher in die Welt über der Welt geblasen und sie in ein Sieb verwandelt, durch das nun das glitzernde Mysterium der Schöpfung hereinleuchtete. Solche Dinge mochten nicht für menschliche Augen bestimmt sein, aber Tim fühlte sich durch besondere Fügung dazu berechtigt, weil er unter einer Zauberdecke neben einem Geschöpf lag, das selbst die gutgläubigsten Einwohner von Tree als Sagengestalt abgetan hätten.
    Er empfand Ehrfurcht, als er zu den Sternen aufsah, aber zugleich auch tiefe, dauerhafte Zufriedenheit, wie er sie als Kind empfunden hatte, wenn er nachts aufgewacht war, im Halbschlaf sicher und warm unter seiner Federdecke gelegen und dem Wind gelauscht hatte, der sein einsames Lied von anderen Orten und anderen Leben sang.
    Die Zeit ist ein Schlüsselloch, dachte er, als er zu den Sternen aufsah. Ja, das glaube ich. Manchmal bücken wir uns, um hindurchzusehen. Und der Wind, den wir dabei im Gesicht spüren – der Wind, der durchs Schlüsselloch bläst –, ist der Atem des gesamten lebenden Universums.
    Der Sturm tobte durch den wolkenlosen Himmel, und die Kälte wurde strenger, aber Tim Ross lag sicher und warm unter der Decke und hatte einen schlafenden Tyger neben sich. Irgendwann schlief auch er ein und versank in einen tiefen Schlaf, der erholsam war und nicht durch Träume gestört wurde. Als er wegdriftete, hatte er das Gefühl, ganz winzig zu sein und von dem Wind, der durchs Schlüsselloch der Zeit blies, davongetragen zu werden. Weg vom Rand des Großen Canyons, über den Endlosen Wald und den Fagonard hinweg, über den Eisenholzpfad hinweg, an Tree vorbei – nur eine tapfere kleine Ansammlung von Lichtern aus der Höhe, in der er mit dem Wind darüber hinwegflog – und weiter, weiter, oh, noch viel weiter, nach Gilead und darüber hinaus, über ganz Mittwelt hinweg bis zu dem Ort, an dem ein unvorstellbar hoher, ebenholzschwarzer Turm in den Himmel aufragte.
    Da werde ich hingehen! Eines Tages tu ich das!
    Mit diesem Gedanken schlief er ein.

Am Morgen war das Heulen des Sturms  
    zu einem gleichmäßigen Rauschen herabgesunken. Tims Blase war voll. Er schob die Decke weg, kroch auf den Felsboden hinaus, von dem der Stoßwind allen Humus abgetragen hatte, und hastete auf die andere Seite des Dogans. Sein Atem erzeugte weiße Dampfwolken, die der Wind sofort mitriss. Hinter dem Dogan war er im Windschatten, aber es war kalt, sehr kalt. Sein Urin dampfte, und als er fertig war, begann die Pfütze auf dem Boden schon zu gefrieren.
    Tim lief eilig zurück. Er musste bei jedem Schritt gegen den Wind ankämpfen und zitterte am ganzen Leib. Als er wieder in die herrliche Wärme unter der Zauberdecke kroch, klapperten ihm die Zähne. Er schlang die Arme um den muskulösen Körper des Tygers, ohne recht darüber nachzudenken, und erschrak nur kurz, weil sich Augen und Schnauze des Tiers öffneten. Eine Zunge, die lang wie ein Teppichläufer und rosa wie eine Neue-Erde-Rose war, kam zum Vorschein. Sie leckte ihm über die Wange, und Tim zitterte wieder – nicht vor Angst, sondern wegen der Erinnerung daran, wie sein Vater seine Wange an Tims gerieben hatte, bevor er

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