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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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dir erzählen würde, dass ich in einer Höhle mit nichts als einem Tisch, einem Stuhl und einem Strohsack lebe, und wenn du das anderen erzählen würdest – würden sie dir das glauben?«
    Timm dachte darüber nach und schüttelte dann den Kopf. »Nein, würden sie nicht. Ich bezweifle, dass die Leute mir überhaupt glauben werden, dass ich Euch begegnet bin.«
    »Das ist ihre Sache. Und was dich betrifft … Bist du zur Heimkehr bereit?«
    »Darf ich noch eine Frage stellen?«
    Der Magier hob einen Finger. »Aber nur eine . Denn ich habe lange Jahre in jenem Käfig zugebracht – der sich übrigens auch im Stoßwind keinen Fingerbreit bewegt hat – und habe es satt, in dieses Loch zu scheißen. Wie ein Mönch zu leben ist nicht schlecht, aber es gibt Grenzen. Stell deine Frage.«
    »Wie hat der Rote König Euch gefangen genommen?«
    »Er kann niemand gefangen setzen, Tim – er ist selbst im Obergeschoss des Dunklen Turms gefangen. Aber er besitzt große Macht, und er hat seine Schergen. Der, dem du begegnet bist, ist sein bei Weitem wichtigster Gehilfe. Eines Tages ist ein Mann zu meiner Höhle gekommen. Ich habe ihn für einen umherziehenden Händler gehalten, irrtümlich, denn seine Magie war stark. Magie, mit der ihn wohl der König ausgestattet hat.«
    Tim riskierte eine weitere Frage. »Stärkere Magie als Eure?«
    »Nay, aber …« Maerlyn seufzte und sah in den Morgenhimmel auf. Tim merkte erstaunt, dass der Magier verlegen war. »Ich war betrunken.«
    »Oh«, sagte Tim mit schwacher Stimme. Ihm fiel nichts anderes ein.

»Genug Palaver«, sagte der Zauberer.  
    »Setz dich auf den Dibbin.«
    »Den …?«
    Maerlyn zeigte auf das Tuch, das manchmal eine Serviette, manchmal eine Plane und nun ein Tischtuch war. »Das da. Und mach dir keine Sorgen, du könntest ihn mit deinen Stiefeln beschmutzen. Es ist schon von Leuten benutzt worden, die vom Reisen weit schmutziger waren als du.«
    Genau das war Tims Sorge gewesen, aber jetzt trat er auf das Tischtuch und setzte sich hin.
    »Nun die Feder. Nimm sie in die Hände. Sie stammt aus dem Schwanz des Adlers Garuda, der das andere Ende dieses Balkens bewacht. Zumindest hat man mir das erzählt, aber als ich selbst noch klein war – ja, ich war einmal klein, Tim, Sohn von Jack –, hat man mir auch erzählt, der Storch bringe die Kinder.«
    Tim hörte kaum, was der Zauberer sagte. Er hielt die Feder, die der Tyger mit knapper Not vor dem Wegfliegen gerettet hatte, in beiden Händen.
    Maerlyn betrachtete ihn unter seinem sonnengelben Spitzhut hervor. »Was tust du als Erstes, wenn du heimkommst?«
    »Ich träufle Mama die Tropfen in die Augen.«
    »Gut … Und dann?«
    »Dann gebe ich ihr die Axt von meinem Da’.«
    »Nicht vergessen!« Der Alte beugte sich zu ihm hinunter und küsste ihn auf die Stirn. Vor Tims Augen leuchtete die ganze Welt sekundenlang so strahlend, wie die Sterne während des Stoßwinds gefunkelt hatten. In diesem Augenblick war alles vollkommen . »Du bist ein unerschrockener Junge – was auch andere erkennen werden, sodass sie deine Hilfe erbitten werden. Sei jetzt bedankt, und flieg nach Hause.«
    »F-f-fliegen? Wie? «
    »Musst du beim Gehen auch überlegen? Tu es einfach. Denk an dein Zuhause.« Hunderte von Fältchen strahlten von den Augenwinkeln des Alten aus, als er nun lächelte. »Denn wie irgendein berühmter Mann einmal gesagt hat: Nichts geht über das eigene Zuhause. Sieh es! Sieh es sehr wohl!«
    Also stellte Tim sich das Häuschen vor, in dem er aufgewachsen war, und das Zimmer, in dem er sein Leben lang beim Einschlafen gehört hatte, wie draußen der Wind von anderen Orten und anderen Leben erzählte. Er dachte an die Scheune, in der Misty und Bitsy standen, und hoffte, dass jemand sie versorgt hatte. Vielleicht Strohkopf Willem. Er dachte an die Quelle, von der er so viele Eimer Wasser geholt hatte. Und vor allem dachte er an seine Mutter: ihre schlanke und doch sehnige Gestalt, ihr kastanienbraunes Haar, ihre lachenden, sorgenlosen Augen.
    Er dachte: Wie du mir fehlst, Mama … und als er das tat, erhob das Tischtuch sich von dem felsigen Boden und schwebte über dem eigenen Schatten.
    Tim hielt den Atem an. Das Tuch schwankte, dann drehte es sich. Jetzt war er schon deutlich höher als der spitze Hut des Zauberers, und Maerlyn musste zu ihm aufsehen.
    »Was ist, wenn ich falle?«, rief Tim.
    Maerlyn lachte. »Das tun wir irgendwann alle. Jetzt halt die Feder fest! Der Dibbin wirft dich nicht ab, also halt die Feder

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