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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Stunden?
    Zwei?
    Er konnte zurückkehren und versuchen, Eddie zu retten… aber genau das wollte Detta. Sie hatte eine Falle gestellt, so wie Dorfbewohner, die einen tödlichen Wolf fürchteten, ein Opferlamm auslegen mochten, um ihn in Reichweite ihrer Bogen zu locken. Er würde in seinen kranken Körper zurückkehren… aber nicht so schnell. Der Grund, weshalb er nur ihren Schatten gesehen hatte, war der, daß sie mit einem seiner Revolver in der Faust neben der Tür lag. In dem Augenblick, wenn sich Rolands Körper bewegte, würde sie auf ihn schießen und ihn töten.
    Und weil sie Angst vor ihm hatte, würde sein Ende immerhin barmherzig sein.
    Eddies Tod würde kreischendes Entsetzen sein.
    Er schien Detta Walkers garstige Kicherstimme hören zu können: Willste an mich ran, Blaßfleisch? Klaro willste an mich ran! Hast keene Angst vor ner verkrüppelten altn Dame, nich?
    »Nur ein Weg«, murmelte Jacks Mund. »Nur einer.«
    Die Bürotür ging auf, und ein kahler Mann mit Gläsern vor den Augen sah herein.
    »Wie kommen Sie mit der Dorfman-Bilanz voran?« fragte der kahle Mann.
    »Mir ist schlecht. Ich glaube, es war das Essen. Ich sollte besser nach Hause gehen.«
    Der kahle Mann sah besorgt drein. »Wahrscheinlich ein Virus. Ich habe gehört, daß ein ziemlich übler umgehen soll.«
    »Möglich.«
    »Nun… solange Sie die Dorfman-Sachen bis morgen abend fünf Uhr fertig haben…«
    »Ja.«
    »Sie wissen ja, wie ungemütlich er werden kann…«
    »Ja.«
    Der kahle Mann, der jetzt ein wenig unbehaglich dreinsah, nickte. »Ja, gehen Sie heim. Sie scheinen gar nicht Sie selbst zu sein.«
    »Bin ich nicht.«
    Der kahle Mann ging eiligst zur Tür hinaus.
    Er hat mich gespürt, dachte der Revolvermann. Das war ein Teil davon. Ein Teil, aber nicht alles. Sie haben Angst vor ihm. Sie wissen nicht, warum, aber sie haben Angst vor ihm. Und sie haben guten Grund, Angst zu haben.
    Jack Morts Körper stand auf, fand den Aktenkoffer, den er bei sich hatte, als der Revolvermann in ihn eingedrungen war, und schob sämtliche Papiere auf dem Schreibtisch hinein.
    Er verspürte den Drang, zu der Tür zurückzuschauen, widerstand ihm aber. Er würde erst wieder hineinsehen, wenn er bereit war, alles zu riskieren, und zurückkehrte.
    Bis dahin blieb wenig Zeit, und es mußte viel getan werden.

 
ZWEITES KAPITEL
Der Honigtopf

1
     
    Detta lag in einer schattigen Kluft zwischen Felsen, die aneinander lehnten wie alte Männer, die zu Stein geworden waren, während sie sich ein unheimliches Geheimnis erzählten. Sie sah Eddie zu, wie er die geröllübersäten Hänge der Hügel auf und ab schritt und sich heiser schrie. Der Entenflaum auf seinen Wangen wurde endlich zu einem Bart, und man hätte ihn für einen erwachsenen Mann halten können, abgesehen von den zwei, drei Malen, als er nahe an ihr vorbeigekommen war (einmal so nahe, daß sie die Hand ausstrecken und ihn am Knöchel hätte packen können). Wenn er in die Nähe kam, dann sah man, daß er nur ein Junge war, und zwar einer, der bis auf die Knochen müde war.
    Odetta hätte Mitleid empfunden; Detta verspürte nur die stumme, gespannte Aufmerksamkeit eines natürlichen Raubtiers.
    Als sie zum erstenmal hier hereingekrochen war, hatte sie gespürt, wie unter ihren Händen Sachen gebrochen waren wie altes Herbstlaub. Als ihre Augen sich umgestellt hatten, sah sie, daß es keine Blätter waren, sondern die Knochen kleiner Tiere. Hier hatte einst ein (längst verschwundenes, wenn man den gelben Knochen Glauben schenken durfte) Raubtier gehaust, ein Wiesel oder ein Frettchen. Möglicherweise war es nachts herausgekommen und seiner Nase weiter hinauf in die Berge gefolgt, wo Bäume und Unterholz dichter waren – wo es mehr Beute gab. Es hatte getötet, gefressen und dann die Überreste hierher gebracht, um am darauffolgenden Tag einen Happen zu haben, während es darauf wartete, daß mit der Nacht wieder die Zeit zum Jagen kam.
    Jetzt war ein größeres Raubtier hier, und Detta hatte anfangs gedacht, sie würde genau das tun, was der Vormieter auch getan hatte: warten, bis Eddie schlief, was er höchstwahrscheinlich tun würde, und ihn dann umbringen und seinen Leichnam hier heraufschleppen. Wenn sie dann beide Revolver in ihrem Besitz hatte, konnte sie sich wieder zur Tür hinunterschleppen und warten, bis der Wirklich Böse Mann zurückkam. Ihr erster Gedanke war gewesen, den Körper des Wirklich Bösen Mannes zu töten, sobald sie sich um Eddie gekümmert hatte, aber das

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