Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
trotzdem allemachen. Sie würde ihn mit dem Stein oder den bloßen Händen allemachen. Er war krank und ihm fehlten zwei Finger. Sie konnte ihn packen.
Aber während sie sich Eddie näherte, kam ihr ein beunruhigender Gedanke. Es war wieder eine Frage, und es schien wieder eine andere Stimme zu sein, die sie stellte.
Was ist, wenn er es weiß? Was ist, wenn er in der Sekunde, in der du Eddie tötest, Bescheid weiß?
Garnix widda wissn. Is’ zu beschäffticht, seine Medizin zu kriegn. ‘n wahrscheinlich, sich wassum Fickn zu suchn, könnt ichmer vorstelln.
Die fremde Stimme antwortete nicht, aber die Saat des Zweifels war gesät. Sie hatte sie reden gehört, als sie glaubten, sie wäre eingeschlafen. Der Wirklich Böse Mann mußte etwas machen. Sie wußte nicht, was es war. Detta wußte nur, es hatte etwas mit einem Turm zu tun. Konnte sein, daß der Wirklich Böse Mann dachte, dieser Turm wäre voll mit Juwelen oder Gold oder so etwas. Er sagte, er brauchte sie und Eddie und einen dritten, um dorthin zu gelangen, und Detta schätzte, daß das auch so sein konnte. Warum wären die Türen sonst da?
Wenn es Zauberei war und sie Eddie umbrachte, könnte er es wissen. Wenn sie seinen Weg zum Turm tötete, tötete sie wahrscheinlich alles, wofür dieser blasse Wichsah lebte. Und wenn er wußte, daß er nichts mehr hatte, wofür er lebte, konnte der Wichsah alles tun, weil dem Wichsah dann ein Scheißdreck an allem liegen würde.
Die Vorstellung, was passieren konnte, wenn der Wirklich Böse Mann so zurückkam, ließ Detta erschauern.
Aber wenn sie Eddie nicht umbringen konnte, was sollte sie tun? Sie konnte die Pistole nehmen, während Eddie schlief, aber wenn der Wirklich Böse Mann zurückkam, würde sie mit beiden fertig werden?
Sie wußte es einfach nicht.
Ihr Blick fiel auf den Rollstuhl, wollte weiter wandern, schnellte wieder zurück. An der Rückseite der Lehne hing eine Tasche. Daraus ragte das Seil hervor, mit dem sie sie an den Stuhl gefesselt hatten.
Als sie das sah, wurde ihr plötzlich klar, wie sie alles machen konnte.
Detta änderte die Richtung und kroch auf den reglosen Körper des Revolvermanns zu. Sie wollte sich aus dem Rucksack, den er seine ›Tasche‹ nannte, alles holen, was sie brauchte, dann so schnell wie möglich das Seil nehmen… aber vorerst hielt die Tür sie starr im Bann.
Sie interpretierte das, was sie sah, genau wie Eddie in der Filmsprache… aber dies sah mehr wie ein Fernsehkrimi aus. Die Kulisse war eine Drogerie. Sie sah einen Drogisten, der vor Angst blöd geworden zu sein schien, und Detta machte ihm deshalb keinen Vorwurf. Eine Waffe deutete dem Drogisten direkt ins Gesicht. Der Drogist sagte etwas, aber seine Stimme war fern und verzerrt. Sie konnte nicht hören, was er sagte. Sie konnte auch nicht sehen, wer die Waffe hielt, aber sie brauchte den Strohmann auch gar nicht zu sehen, oder? Sie wußte, wer es war, klaro.
Es war der Wirklich Böse Mann.
Sieht da drüm vielleicht nich’ wie er aus, sieht aus wie’n knubbeliger kleiner Sack Scheiße, vielleicht sogar wie’n Bruder, aber innen drin würd er’s sein, klaro. Hatte nich’ lange gebraucht, ‘ne neue Knarre zu finnen, nich’? Wette, brauchter nie. Beweg dich, Detta Walker.
Sie machte Rolands Tasche auf, und der schwache, nostalgische Geruch von lange verwahrtem, aber längst verschwundenem Tabak drang heraus. In gewisser Weise war sie wie die Handtasche einer Dame, so sehr war sie auf den ersten Blick mit einem wahllosen Durcheinander bestückt… aber genaueres Hinsehen zeigte die Reiseausrüstung eines Mannes, der auf praktisch alles vorbereitet ist.
Sie gewann den Eindruck, als wäre der Wirklich Böse Mann schon ziemlich lange zu diesem Turm unterwegs. Wenn das so war, dann war allein die Anzahl der Dinge, die noch vorhanden waren, so armselig sie sein mochten, Grund zum Staunen.
Beweg dich, Detta Walker.
Sie nahm sich, was sie brauchte, dann arbeitete sie sich stumm und schlangengleich zum Rollstuhl zurück. Dort angekommen, stützte sie sich auf einen Arm und zog das Seil aus der Tasche wie eine Anglerin, die die Schnur einholt. Ab und zu sah sie zu Eddie hinüber und vergewisserte sich, daß er noch fest schlief.
Er rührte sich nicht, bis Detta ihm eine Schlinge um den Hals warf und fest zuzog.
5
Er wurde nach hinten gezogen und dachte zuerst, er schliefe noch und dies wäre ein schrecklicher Alptraum, lebendig begraben oder möglicherweise erdrosselt zu werden.
Dann
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