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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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eine Waffe war. Er zog Jack Morts Mantel wieder an, steckte zwei Schachteln Patronen in die rechte und zwei Schachteln Patronen in die linke Tasche. Der bisher makellose Mantel wies jetzt zwei unpassende Ausbeulungen auf. Er hob die 357er Mag des Verkäufers auf und steckte die Patronen in die Hosentasche. Dann warf er die Waffe durch das Zimmer. Als sie auf dem Boden aufschlug, machte Fat Johnny einen Satz, gab einen weiteren schrillen Schrei von sich und drückte noch etwas warmes Wasser in seine Hose.
    Der Revolvermann richtete sich auf und sagte Fat Johnny, er solle sich umdrehen.
     
     

10
     
    Als Fat Johnny sich den Spinner im blauen Anzug und der Nickelbrille noch einmal ansah, klappte sein Mund auf. Einen Augenblick verspürte er die überwältigende Gewißheit, daß der Mann, der hier hereingekommen war, zum Gespenst geworden war, während Fat Johnny ihm den Rücken zugewandt hatte. Fat Johnny glaubte, er könne durch den Mann hindurch eine viel lebensechtere Gestalt erkennen, einen der legendären Pistoleros, über die sie Filme und Fernsehserien drehten, als er noch ein Kind war; Wyatt Earp, Doc Holliday, Butch Cassidy, einer von diesen Kerlen.
    Dann klärte sich sein Sehvermögen, und ihm wurde klar, was der wahnsinnige Irre getan hatte: Er hatte sich den Revolvergurt eines der Bullen umgeschnallt. Verbunden mit Anzug und Krawatte hätte die Wirkung eigentlich lächerlich sein sollen, aber irgendwie war sie es nicht.
    »Der Schlüssel der Gelenkfesseln ist auf dem Tisch. Wenn die beiden Polissesten aufwachen, werden sie Sie befreien.«
    Es war unglaublich, aber er nahm die Brieftasche, machte sie auf und legte vier Zwanzigdollarscheine auf den Tresen, bevor er die Brieftasche wieder in die Tasche zurücksteckte.
    »Für die Munition«, sagte Roland. »Die Patronen aus Ihrer eigenen Pistole habe ich mitgenommen. Ich werde sie wegwerfen, wenn ich ihr Geschäft verlassen habe. Ich glaube, mit ungeladener Waffe und ohne Brieftasche dürfte es schwerfallen, Sie eines Verbrechens anzuklagen.«
    Fat Johnny schluckte. Es war einer der wenigen Anlässe in seinem Leben, da er regelrecht sprachlos war.
    »Und wo ist die nächste…« Pause. »…die nächste Drogerie?«
    Plötzlich begriff Fat Johnny – oder bildete es sich jedenfalls ein – alles. Der Bursche war natürlich ein Suchti. Das war die Lösung. Kein Wunder, daß er so unheimlich war. Wahrscheinlich bis zu den Augäpfeln zugedröhnt.
    »Gleich um die Ecke ist eine. Einen halben Block die Neunundvierzigste runter.«
    »Wenn Sie lügen, komme ich zurück und schieße ihnen eine Kugel ins Gehirn.«
    »Ich lüge nicht!« heulte Fat Johnny. »Ich schwöre vor Gott dem Vater. Ich schwöre bei allen Heiligen! Ich schwöre beim Grab meiner…«
    Aber da fiel die Tür zu. Fat Johnny stand einen Augenblick schweigend da und konnte nicht glauben, daß der Verrückte gegangen war.
    Dann ging er, so schnell er konnte, um den Ladentisch herum zur Tür. Er kehrte ihr den Rücken zu und tastete, bis es ihm gelang, das Schloß umzudrehen. Er tastete noch eine Weile weiter, bis er auch noch den Riegel vorgeschoben hatte.
    Erst dann ließ er sich in eine sitzende Haltung hinabrutschen, er keuchte und stöhnte und schwor bei Gott und allen Heiligen und Engeln, daß er noch an diesem Nachmittag in die St. Anthony’s Kirche gehen würde, sobald einer der Bullen aufwachte und ihn von den Handschellen befreite. Er wollte beichten, Buße tun und das Abendmahl nehmen.
    Fat Johnny Holden wollte seinen Frieden mit Gott machen. Das war verdammt zu knapp gewesen.
     
     

11
     
    Die untergehende Sonne wurde über dem Westlichen Meer zu einem Bogen. Sie schwand zu einer schmalen grellen Linie, die in Eddies Augen brannte. Wenn man lange genug in so grelles Licht sah, konnte man sich die Netzhaut auf Dauer verbrennen. Das war nur eine der interessanten Sachen, die man in der Schule lernte, Sachen, die einem halfen, einen befriedigenden Job zu bekommen, zum Beispiel halbtags als Barkeeper zu arbeiten, und interessante Hobbies, zum Beispiel ganztags auf der Straße nach Stoff zu suchen und nach dem Zaster, um ihn zu kaufen. Eddie hörte nicht auf hinzusehen. Er glaubte nicht, daß es noch lange eine Rolle spielen würde, ob er sich die Augen verbrannte oder nicht.
    Er flehte die Hexenfrau hinter ihm nicht an. Zunächst einmal hätte es sowieso nichts genützt. Zweitens würde es ihn entwürdigen, wenn er flehte. Er hatte ein entwürdigtes Leben geführt; er stellte fest, daß er

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