Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
aufhob, furzte er laut und schrie. Der Revolvermann begriff belustigt, daß er seinen eigenen Furz für einen Pistolenschuß gehalten und gedacht hatte, seine Zeit zu sterben wäre gekommen.
Als Fat Johnny sich aufrichtete, errötete er heftig. Vorne auf seiner Hose war ein großer nasser Fleck.
»Legen Sie die Börse auf den Tisch. Die Brieftasche, meine ich.«
Fat Johnny gehorchte.
»Und jetzt die Patronen. 45er Winchester. Und ich will jede Sekunde Ihre Hände sehen.«
»Ich muß in die Tasche greifen. Meine Schlüssel.«
Roland nickte.
Während Fat Johnny den Schrank mit den gestapelten Kartons Munition aufschloß und aufmachte, überlegte Roland.
»Geben Sie mir vier Schachteln«, sagte er schließlich. Er konnte sich nicht vorstellen, daß er so viele Patronen brauchte, aber die Verlockung, sie zu haben, war unbestreitbar da.
Fat Johnny legte die Kartons auf den Ladentisch. Roland machte eine davon auf, weil er immer noch kaum glauben konnte, daß es kein Witz oder ein Trick war. Aber es waren durchaus Patronen, glänzend und sauber, ohne Spuren, noch nie abgefeuert, nie nachgeladen. Er hielt eine einen Moment ins Licht, dann steckte er sie wieder in den Karton.
»Und jetzt nehmen Sie ein paar von diesen Gelenkfesseln.«
»Gelenkfesseln…?«
Der Revolvermann konsultierte die Mortzyklopädie. »Handschellen.«
»Mister, ich weiß nicht, was Sie vorhaben. Die Registrierkasse ist…«
»Tun Sie, was ich gesagt habe. Sofort.«
Herrgott, das wird nie aufhören, stöhnte Fat Johnnys Verstand. Er machte einen anderen Teil des Tresens auf und holte die Handschellen heraus.
»Schlüssel?« fragte Roland.
Fat Johnny legte den Schlüssel der Handschellen auf den Tresen. Er machte ein leises Geräusch. Einer der bewußtlosen Polizisten gab ein plötzliches Schnarchen von sich, und Johnny stieß einen spitzen Schrei aus.
»Umdrehen«, sagte der Revolvermann.
»Sie werden mich doch nicht erschießen, oder? Sagen Sie, daß Sie das nicht tun.«
»Nicht«, sagte Roland tonlos, »wenn Sie sich sofort umdrehen. Wenn Sie das nicht tun, dann doch.«
Fat Johnny drehte sich um und fing an zu stammeln. Natürlich sagte der Bursche, er würde es nicht tun, aber der Gestank von Mordlust war so stark, daß er ihn nicht ignorieren konnte. Und dabei hatte er nicht mal viel genommen. Sein Stammeln wurde zu einem erstickten Wimmern.
»Bitte, Mister, um meiner Mutter willen, erschießen Sie mich nicht. Meine Mutter ist alt. Sie ist blind. Sie…«
»Sie ist mit dem Fluch eines verweichlichten Sohnes geschlagen«, sagte der Revolvermann mürrisch. »Hände zusammen.«
Wimmernd und mit im Schritt klebender nasser Hose preßte Fat Johnny sie zusammen. Die Stahlbänder waren in Null Komma nichts an Ort und Stelle. Er hatte keine Ahnung, wie das Gespenst so schnell über den Ladentisch oder um ihn herum hatte gelangen können. Und er wollte es auch nicht wissen.
»Bleiben Sie hier stehen und sehen Sie die Wand an, bis ich Ihnen sage, daß Sie sich umdrehen dürfen. Wenn Sie sich vorher umdrehen, bringe ich Sie um.«
Hoffnung erhellte Fat Johnnys Verstand. Vielleicht hatte der Bursche doch nicht vor, ihn abzumurksen. Vielleicht war der Bursche gar nicht verrückt, nur etwas daneben.
»Das werde ich nicht, ich schwöre bei Gott. Schwöre bei allen Seinen Heiligen. Schwöre bei allen Seinen Engeln. Schwöre bei allen Seinen Erz…«
»Ich schwöre, wenn Sie nicht sofort still sind, schieße ich Ihnen eine Kugel durch den Hals«, sagte das Gespenst.
Fat Johnny verstummte. Er hatte den Eindruck, als würde er eine Ewigkeit mit dem Gesicht zur Wand stehen. In Wirklichkeit waren es nur etwa zwanzig Sekunden.
Der Revolvermann kniete nieder, legte die Pistole des Verkäufers auf den Boden, vergewisserte sich mit einem raschen Blick, ob der Wurm brav war, dann rollte er die beiden anderen auf den Rücken. Beide waren weggetreten, aber nicht ernsthaft verletzt, urteilte Roland. Sie atmeten beide gleichmäßig. Aus dem Ohr desjenigen, der Delevan hieß, rann ein klein wenig Blut, aber das war alles.
Er warf dem Verkäufer noch einen raschen Blick zu, dann machte er die Revolvergurte der Revolvermänner auf und entfernte sie. Dann zog er Morts blaues Jackett aus und schnallte sich selbst einen Gurt um. Es waren die falschen Waffen, aber es war dennoch ein gutes Gefühl, wieder bewaffnet zu sein. Verdammt gut. Besser als er geglaubt hätte.
Zwei Pistolen. Eine für Eddie, und eine für Odetta… wenn und falls Odetta reif für
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