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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ein einfacher Tschuff-tschuff-Zug,
    Mehr kann ich dir nicht sagen.

    Jetzt kann ich nicht mehr sausen,
    Das war mir ein Hochgenuß,
    Und stehe hier mit Grausen,
    Weil ich bald sterben muß.
     
    Jake studierte das Bild zu diesem nicht völlig unerwarteten Gang der Ereignisse lange Zeit. Die Bilder mochten skizzenhaft sein, aber sie waren dennoch prima Tränendrüsendrücker. Charlie sah alt, vernichtet und vergessen aus. Lokführer Bob sah aus, als hätte er seinen letzten Freund verloren… was ja laut der Geschichte auch so war. Jake konnte sich vorstellen, daß sich überall in Amerika Kinder an dieser Stelle die Augen wund geplärrt hatten, und dabei mußte er daran denken, daß es viele Geschichten für Kinder gab, die so etwas enthielten – Sachen, die einem Säure über das ganze Gefühlsleben gossen. Hänsel und Gretel, die im Wald ausgesetzt wurden; Bambis Mutter, die vom Jäger erschossen wurde; der Tod von Old Yeller. Es war leicht, kleinen Kindern weh zu tun, sie zum Weinen zu bringen, und das schien in vielen Geschichtenerzählern eine seltsam sadistische Ader freizulegen… einschließlich, so schien es, Beryl Evans.
    Aber Jake stellte fest, daß er nicht traurig war, weil man Charlie auf ein unkrautüberwuchertes wüstes Land am äußeren Rand des Rangierbahnhofs von Mittwelt in St. Louis verbannt hatte. Ganz im Gegenteil. Gut, dachte er. Genau da gehört er hin. Da gehört er hin, weil er gefährlich ist. Dort soll er rosten, und habt kein Mitleid wegen seiner Tränen – man sagt, daß Krokodile auch weinen.
    Er las den Rest rasch. Natürlich kam es zu einem Happy-End, aber es war zweifellos dieser Augenblick der Verzweiflung auf dem Rangierbahnhof, an den sich die Kinder erinnern würden, wenn sie das Happy-End längst nicht mehr im Gedächtnis hatten.
    Mr. Martin, der Präsident der Eisenbahngesellschaft von Mittwelt, kam nach St. Louis, um die Zweigstelle zu inspizieren. Er hatte vor, mit der Burlington Zephyr nach Topeka zu fahren, wo seine Tochter an diesem Nachmittag ihr erstes Klavierkonzert gab. Aber die Zephyr sprang nicht an. Es schien, als wäre Wasser in den Dieselkraftstoff gekommen.
    (Warst du derjenige, der das Wasser ins Diesel geschüttet hat, Lokführer Bob? frage sich Jake. Ich wette, du warst es, du listiger Hundesohn!)
    Alle anderen Züge waren unterwegs. Was konnte man tun?
    Jemand zupfte Mr. Martin am Ärmel. Es war Putzer Bob, aber er sah nicht mehr wie ein Lokomotivenputzer aus. Er hatte den ölverschmierten Blaumann ausgezogen und einen sauberen Overall an. Auf dem Kopf trug er die alte bauschige Lokführermütze. »Charlie steht dort auf dem Abstellgleis«, sagte er. »Charlie kann die Fahrt nach Topeka machen, Mr. Martin. Charlie wird Sie rechtzeitig zum Klavierkonzert Ihrer Tochter bringen.«
    »Die alte Dampflok?« schimpfte Mr. Briggs. »Charlie wäre bei Sonnenuntergang noch fünfzig Meilen von Topeka entfernt!«
    »Charlie schafft es«, beharrte Lokführer Bob. »Ich weiß, daß er es kann, wenn er keinen Zug ziehen muß! Wissen Sie, ich habe in meiner Freizeit seine Maschine und den Wasserkessel geputzt.«
    »Wir versuchen es«, sagte Mr. Martin. »Ich möchte Susannahs erstes Konzert nicht versäumen!«
    Charlie war abfahrbereit; Lokführer Bob hatte seinen Tender mit frischen Kohlen gefüllt, und der Heizofen war so heiß, daß die Seiten rot glühten. Er half Mr. Martin auf die Lokomotive und steuerte Charlie zum erstenmal seit Jahren von dem rostigen Abstellgleis auf das Hauptgleis. Als er den ersten Vorwärtsgang einlegte, zog er an der Schnur, und Charlie stieß seinen alten, tapferen Kriegsruf aus: HUUUU-UUU! Überall in St. Louis hörten die Kinder den Ruf und liefen in die Gärten, um die rostige alte Dampflok vorbeifahren zu sehen. »Seht!« riefen sie. »Es ist Charlie! Charlie Tschuff-Tschuff ist wieder da! Hurra!« Sie winkten alle, und als Charlie aus der Stadt tschuffte, blies er selbst seine Pfeife, wie er es in alten Zeiten getan hatte: HUUUUU-UUUUUUU!
    Klicker-di-klack machten Charlies Räder. Tschuffa-tschuffa kam der Rauch aus Charlies Schlot! Holter-polter machte das Förderband, das Kohlen in den Heizofen schaffte.
    Das nannte man Zack! Das nannte man Heißassa! Himmel, Herrgott, Sakrament! So schnell war Charlie noch nie gefahren! Die Landschaft sauste wie ein Wirbel vorbei! Sie rasten an den Autos auf der Route 41 vorbei, als würden diese stillstehen!
    »Juppheidi!« rief Mr. Martin und schwenkte seinen Hut in der Luft. »Das ist eine

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