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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Hals empor. Er schlug die Augen auf, sah die Hose über dem Schreibtischstuhl hängen und hatte eine Idee. Er stand auf, ging zum Stuhl und tastete in der rechten Hosentasche.
    Der silberne Schlüssel war noch da, und in dem Augenblick, als er ihn mit den Fingern berührte, verstummten die Stimmen.
    Sag ihm, dachte er, ohne zu wissen, an wen der Gedanke gerichtet war. Sag ihm, er soll den Schlüssel festhalten. Der Schlüssel bringt die Stimmen zum Schweigen.
    Er ging zum Bett zurück und schlief mit dem Schlüssel in der Hand ein, als sein Kopf noch keine drei Minuten das Kissen berührt hatte.

III.
Tür und Dämon
     
1
     
    Eddie war fast eingeschlafen, als ihm eine Stimme deutlich ins Ohr flüsterte: Sag ihm, er soll den Schlüssel festhalten. Der Schlüssel bringt die Stimmen zum Schweigen.
    Er fuhr kerzengerade in die Höhe und sah sich panisch um. Susannah lag tief schlafend neben ihm; ihre Stimme war es nicht gewesen.
    Und auch nicht die eines anderen, schien es. Sie waren jetzt seit acht Tagen auf dem Pfad des Balkens durch den Wald unterwegs und hatten ihr Lager heute abend in der tiefen Kluft eines Talkessels aufgeschlagen. Ganz in der Nähe links rauschte ein Bach tosend vorbei, der in dieselbe Richtung strömte, in die sie unterwegs waren: Südosten. Rechts stieg das Land steil an. Es waren keine Eindringlinge hier, nur Susannah, die schlief, und Roland, der wachte. Dieser saß zusammengekauert unter seiner Decke am Ufer des Baches und sah in die Dunkelheit hinaus.
    Sag ihm, er soll den Schlüssel festhalten. Der Schlüssel bringt die Stimmen zum Schweigen.
    Eddie zögerte einen Augenblick. Rolands geistige Gesundheit stand auf der Kippe, neigte sich langsam zur schlechteren Seite, und das Schlimmste war: Niemand wußte das besser als der Mann selbst. Im Augenblick wäre Eddie bereit gewesen, nach jedem Strohhalm zu greifen.
    Er hatte eine zusammengelegte Hirschhaut als Kissen benützt. Nun schob er die Hand darunter und zog ein in Leder gewickeltes Bündel heraus. Er ging zu Roland und mußte zu seinem Schrecken feststellen, daß der Revolvermann ihn erst bemerkte, als er nur noch vier Schritte von dessen ungeschütztem Rücken entfernt war. Es hatte eine Zeit gegeben – und die war noch gar nicht so lange her –, da hätte Roland bemerkt, daß Eddie wach war, noch ehe dieser sich aufgerichtet haben würde. Er hätte es am veränderten Atemrhythmus bemerkt.
    Er war sogar damals am Strand wachsamer, obwohl er nach dem Biß des Hummerdings halbtot war, dachte Eddie grimmig.
    Schließlich drehte Roland den Kopf herum und sah ihn an. Seine Augen waren von Schmerz und Müdigkeit umwölkt, aber Eddie stellte fest, daß es sich bei beidem um nicht mehr als ein oberflächliches Funkeln handelte. Darunter spürte er eine zunehmende Verwirrung, die mit ziemlicher Sicherheit zu Wahnsinn werden würde, wenn sie sich weiter ungehindert ausbreiten konnte. Mitleid verzehrte Eddies Herz.
    »Kannst du nicht schlafen?« fragte Roland. Seine Stimme klang nuschelnd, wie unter Drogen.
    »Ich war fast eingeschlafen, bin aber wieder aufgewacht«, sagte Eddie. »Hör zu…«
    »Ich glaube, ich bereite mich auf das Sterben vor.« Roland sah Eddie an. Der helle Schein verschwand aus seinen Augen, nun sahen sie aus wie zwei tiefe, dunkle Brunnen, die keinen Grund zu haben schienen. Eddie erschauerte, aber mehr wegen dieses leeren Blicks als wegen Rolands Worten. »Und weißt du, worauf ich auf der Lichtung am Ende dieses Pfades hoffe, Eddie?«
    »Roland…«
    »Stille«, sagte Roland. Er gab ein staubiges Seufzen von sich. »Nur Stille. Das wird reichen. Ein Ende von… dem hier.«
    Er drückte die Fäuste an die Schläfen, und Eddie dachte: Das habe ich erst vor kurzem jemand anderen machen sehen. Aber wen? Wo?
    Das war natürlich lächerlich; er hatte seit fast zwei Monaten niemand anderen als Roland und Susannah gesehen. Aber dennoch war ihm, als würde es so sein.
    »Roland, ich habe etwas gemacht«, sagte Eddie.
    Roland nickte. Der Hauch eines Lächelns umspielte seine Lippen. »Ich weiß. Was ist es? Bist du endlich bereit, es mir zu sagen?«
    »Ich glaube, es könnte etwas mit diesem Ka-tet zu tun haben.«
    Der leere Blick verschwand aus Rolands Augen. Er sah Eddie nachdenklich an, sagte aber nichts.
    »Sieh her.« Eddie faltete das Stück Leder auseinander.
    Das nützt gar nichts! bellte Henrys Stimme plötzlich. Sie war so laut, daß Eddie tatsächlich ein wenig zusammenzuckte. Es ist nur eine dumme Holzschnitzerei!

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