Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
wohl.«
    Tante Talitha kam als letzte. Als sie knien wollte, hielt Roland sie an den Schultern fest. »Nein, Sai. Du nicht.« Und dann kniete sich Roland vor ihr in den Staub auf dem Platz. »Wirst du mich segnen. Alte Mutter? Wirst du uns alle segnen, ehe wir weiter unseres Weges ziehen?«
    »Ay«, sagte sie. Ihre Stimme klang nicht überrascht, sie hatte keine Tränen in den Augen, aber dennoch bebte ihre Stimme. »Ich sehe, daß Euer Herz aufrichtig ist und Ihr Euch an die alten Weisen Eurer Art haltet; ay, Ihr nehmt sie sehr genau. Ich segne Euch und die Euren und bete, daß Euch kein Leid geschehen mag. Und nun nehmt dies, so Ihr wollt.« Sie griff ins Leibchen ihres verblichenen Kleides und holte ein silbernes Kreuz an einer feinen Silberkette heraus. Sie streifte es ab.
    Nun war Roland der Überraschte. »Bist du sicher? Ich bin nicht gekommen, um etwas fortzunehmen, das dir und den Deinen gehört, Alte Mutter.«
    »Dessen bin ich gewißlich, gewisser kann ich nicht sein. Ich habe es Tag und Nacht über hundert Jahre lang getragen, Revolvermann. Jetzt sollt Ihr es tragen, es am Fuß des Dunklen Turms niederlegen und den Namen von Talitha Unwin am fernen Ende der Erde aussprechen.« Sie streifte ihm die Kette über den Kopf. Das Kreuz fiel in den offenen Halsausschnitt seines Wildlederhemds, als würde es dorthin gehören. »Geht jetzt. Wir haben das Brot gebrochen, wir haben ein Palaver abgehalten, wir haben Euren Segen und Ihr den unseren. Seid standhaft und seid aufrichtig.« Ihre Stimme bebte und brach beim letzten Wort.
    Roland erhob sich, dann verbeugte er sich und klopfte sich dreimal an den Hals. »Danke-sai.«
    Sie verbeugte sich ebenfalls, sagte aber nichts. Jetzt rannen Tränen an ihren Wangen hinab.
    »Bereit?« fragte Roland.
    Eddie nickte. Er glaubte nicht, daß er sprechen konnte.
    »Nun gut«, sagte Roland. »Gehen wir.«
    Sie gingen die Überreste der Hauptstraße des Dorfes entlang, und Jake schob Susannahs Rollstuhl. Als sie am letzten Gebäude vorbeikamen (HANDEL & TAUSCH stand auf dem verblaßten Schild), drehte er sich um. Die alten Leute standen immer noch um den Wegstein versammelt, eine verlorene Gruppe Menschen, mitten auf der weiten, unermeßlichen Ebene. Jake hob die Hand. Bis zu diesem Punkt hatte er sich zusammennehmen können, aber als mehrere der alten Leutchen – Si, Bill und Till darunter – ebenfalls die Hände hoben, brach auch Jake in Tränen aus.
    Eddie legte ihm einen Arm um die Schulter. »Geh einfach weiter, Sportsfreund«, sagte er mit unsicherer Stimme. »Nur so kann man es machen.«
    »Sie sind so alt!« schluchzte Jake. »Wie können wir sie einfach so zurücklassen? Es ist nicht richtig!«
    »Es ist Ka«, sagte Eddie ohne nachzudenken.
    »Wirklich? Nun, Ka ist beschis-schis- schissen !«
    »Aber total«, stimmte Eddie zu, doch auch er ging weiter. Ebenso Jake, und er drehte sich nicht noch einmal um. Er hatte Angst, sie würden immer noch da sein, im Zentrum ihrer gottverlassenen Ortschaft stehen und warten, bis Roland und seine Freunde nicht mehr zu sehen waren. Und er hätte recht gehabt.
     
     

14
     
    Sie kamen keine sieben Meilen weit, da wurde der Himmel dunkel, und der Sonnenuntergang färbte den westlichen Horizont grell orange. In der Nähe lag ein Hain von Eukalyptusbäumen; dort suchten Jake und Eddie nach Holz.
    »Ich kann nicht verstehen, warum wir nicht geblieben sind«, sagte Jake. »Die blinde Lady hat uns eingeladen, und weit sind wir sowieso nicht gekommen. Ich bin immer noch so vollgefressen, daß ich nur watscheln kann.«
    Eddie lächelte. »Ich auch. Und ich kann dir noch etwas sagen: Dein guter Freund Eddie Cantor Dean freut sich schon darauf, daß er sich morgen früh endlich mal wieder lang und ausgiebig und in aller Ruhe in diesem Hain in die Büsche hocken kann. Du kannst dir nicht vorstellen, wie satt ich es habe, Wildfleisch zu essen und Hasenköttel zu scheißen. Wenn du mir vor einem Jahr gesagt hättest, daß ein guter Schiß einmal der Höhepunkt meines Tages sein würde, hätte ich dir ins Gesicht gelacht.«
    »Ist dein zweiter Vorname wirklich Cantor?«
    »Ja, aber es wäre mir recht, wenn du das nicht an die große Glocke hängst.«
    »Keine Bange. Warum sind wir eigentlich nicht geblieben, Eddie?«
    Eddie seufzte. »Weil wir herausgefunden hätten, daß sie Feuerholz brauchen.«
    »Hm?«
    »Und wenn wir Feuerholz gesammelt hätten, hätten wir herausgefunden, daß sie auch frisches Fleisch brauchen, weil sie uns ihre

Weitere Kostenlose Bücher