Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
letzte Barrikade der Weiden und trat auf eine Lichtung, wo man zu den Sternen und dem höchsten Gipfel des Massivs hinaufschauen konnte, der totenkopfweiß in unvorstellbarer Höhe aufragte.
    Er sah einen Kreis aus hohen, schwarzen Steinen, der im Mondenschein wie eine surrealistische Tierfalle aussah. In der Mitte befand sich ein Tisch aus Stein… ein Altar. Er war sehr alt und erhob sich auf einem mächtigen Basaltarm aus dem Boden.
    Der Junge stand davor und wippte hin und her. Seine Hände an den Seiten zitterten, als wären sie von statischer Elektrizität aufgeladen. Der Revolvermann rief seinen Namen schneidend, und der Junge reagierte mit diesem unartikulierten Laut der Verneinung. Der winzige Klecks des Gesichts, der von der linken Schulter des Jungen fast verborgen wurde, sah entsetzt und strahlend zugleich aus.
    Und da war noch etwas.
    Der Revolvermann trat in den Kreis, und Jake schrie auf und wich zurück und hob schützend die Arme. Jetzt konnte man sein Gesicht deutlich und unverhüllt erkennen. Der Revolvermann sah Angst und Entsetzen, die sich mit einer beinahe quälenden Grimasse der Freude bekämpften.
    Der Revolvermann spürte, wie er ihn berührte – der Geist des Orakels, der Sukkubus. Seine Lenden wurden plötzlich von rosa Licht überflutet, einem Licht, das weich und hart zugleich war. Er spürte, wie sein Kopf zuckte, seine Zunge anschwoll und selbst für den Speichelfilm, der sie bedeckte, quälend empfindlich wurde.
    Er dachte nicht nach, als er den halbverfaulten Kieferknochen aus der Tasche zog, den er im Bau des sprechenden Dämons im Rasthaus gefunden hatte. Er dachte nicht nach, aber es machte ihm keine Angst, rein instinktiv zu handeln. Er hielt das erstarrte, prähistorische Grinsen des Kieferknochens vor sich hoch, den anderen Arm hatte er steif ausgestreckt und bildete mit dem ersten und letzten Finger den gabelförmigen Talisman, das uralte Zeichen des bösen Blicks.
    Der Strom der Sinnlichkeit wurde wie ein Vorhang von ihm weggezogen.
    Jake schrie erneut.
    Der Revolvermann ging zu ihm und hielt den Kieferknochen vor Jakes gebannte Augen. Ein feuchter Schmerzenslaut. Der Junge versuchte, den Blick abzuwenden, konnte es aber nicht. Und mit einem Mal rollte er beide Augen nach oben, bis nur noch das Weiße zu sehen war. Jake brach zusammen. Sein Körper fiel schlaff zu Boden, eine Hand berührte das Orakel fast. Der Revolvermann ließ sich auf ein Knie niedersinken und hob ihn auf. Er war erstaunlich leicht und nach ihrem langen Fußmarsch durch die Wüste so ausgetrocknet wie ein Blatt im November.
    Roland konnte die Präsenz, die den Kreis aus Steinen bewohnte, rings um sich herum vor eifersüchtigem Zorn vibrieren spüren – er hatte ihr die Beute weggenommen. Als der Revolvermann aus dem Kreis heraustrat, verschwand das Gefühl frustrierter Eifersucht. Er trug Jake zum Lager zurück. Als sie dort ankamen, war aus der unruhigen Bewußtlosigkeit des Jungen ein tiefer Schlaf geworden. Der Revolvermann verharrte einen Augenblick über der grauen Ruine des Feuers. Das Mondlicht auf Jakes Gesicht erinnerte ihn wieder an einen Kirchenheiligen aus Alabaster von ungewöhnlicher Feinheit. Plötzlich nahm er den Jungen in den Arm, weil er wußte, daß er ihn liebgewonnen hatte. Und es schien ihm fast, als könnte er irgendwo weit über sich das Lachen des Mannes in Schwarz hören.
     
    Jake rief ihn; dadurch wurde er wach. Er hatte den Jungen fest an einen der kräftigen Büsche gefesselt, die in der Nähe wuchsen, und der Junge war hungrig und durcheinander. Dem Stand der Sonne nach zu urteilen, war es beinahe halb zehn.
    »Warum hast du mich festgebunden?« fragte der Junge gekränkt, während der Revolvermann die dicken Knoten in der Decke aufknüpfte. »Ich wäre dir schon nicht weggelaufen!«
    »Du bist weggelaufen«, sagte der Revolvermann, und Jakes Gesichtsausdruck brachte ihn zum Lachen. »Ich mußte aufstehen und dich holen. Du warst schlafwandeln.«
    »Was war ich?« Jake sah ihn argwöhnisch an.
    Der Revolvermann nickte und holte plötzlich den Kieferknochen hervor. Er hielt ihn Jake vor das Gesicht, und der Junge schreckte zurück und hob einen Arm.
    »Siehst du das?«
    Jake nickte verwirrt.
    »Ich muß jetzt eine Weile gehen. Ich könnte den ganzen Tag unterwegs sein. Also hör mir gut zu, Junge. Es ist wichtig. Wenn ich bei Sonnenuntergang nicht zurück bin…«
    Angst leuchtete in Jakes Gesicht auf. »Du läßt mich zurück!«
    Der Revolvermann sah ihn nur

Weitere Kostenlose Bücher