Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
werden. Der Gestank des Tötens in der Luft war so deutlich wie der Gestank von Aas in einem Sumpf. Dann kam die Kampfeslust über ihn, wie immer… und er war eigentlich nicht mehr er selbst.
»Ich kann dich eine unsinnige, schwachköpfige, närrische, arrogante Maschine nennen. Ich kann dich eine dumme, unkluge Kreatur nennen, deren Verstand nicht mehr ist als das Heulen des Winterwinds in einem hohlen Baum.«
»HÖR AUF.«
Roland fuhr im selben gelassenen Tonfall fort und schenkte Blaine nicht die geringste Beachtung. »Unglücklicherweise bin ich in meiner Fähigkeit, unhöflich zu sein, ein wenig eingeschränkt, da du ja nur eine Maschine bist… ein ›Spielzeug‹, wie Eddie sich immer ausdrückt.«
»ICH BIN SEHR VIEL MEHR ALS NUR…«
»Ich kann dich zum Beispiel nicht einen Schwanzlutscher nennen, weil du weder einen Mund noch einen Schwanz hast. Ich kann nicht sagen, daß du erbärmlicher als der erbärmlichste Bettler bist, der jemals im Rinnstein der elendesten Gosse der Schöpfung gekrochen ist, weil selbst so eine Kreatur besser wäre als du; du hast keine Knie, auf denen du kriechen könntest, und du würdest nicht auf sie sinken, selbst wenn du sie hättest, weil du keine Vorstellung von einem menschlichen Makel wie Barmherzigkeit hast. Ich kann nicht einmal sagen, daß du deine Mutter gefickt hast, denn auch eine Mutter hattest du nicht.«
Roland machte eine Pause, um Luft zu holen. Seine drei Gefährten hielten den Atem an. Um sie herum lag erstickend das verdatterte Schweigen von Blaine, dem Mono.
»Ich kann dich dagegen eine treulose Kreatur nennen, die ihre einzige Gefährtin Selbstmord begehen ließ, einen Feigling, der Freude daran gehabt hat, die Dummen zu peinigen und die Unschuldigen zu töten, einen verlorenen und plärrenden mechanischen Troll…«
»ICH BEFEHLE DIR, SOFORT DAMIT AUFZUHÖREN, SONST TÖTE ICH EUCH ALLE AUF DER STELLE!«
In Rolands Augen loderte ein so grelles blaues Feuer, daß Eddie zurückwich. Er hörte vage, wie Jake und Susannah stöhnten.
»Tote, wenn du willst, aber befiehl mir nichts!« brüllte der Revolvermann. »Du hast die Gesichter deiner Erbauer vergessen! Töte, oder schweig und hör mir zu, mir, Roland von Gilead, Sohn von Steven, Revolvermann und Lord der alten Länder! Ich bin nicht jahrelang und meilenweit gereist, um mir dein kindisches Plappern anzuhören! Hast du verstanden? Und jetzt wirst du MIR zuhören!«
Susannah Dean hob die Hand zum Mund und ertastete das unmerkliche Lächeln, wie eine Frau ein seltsames neues Kleidungsstück betasten mochte – einen Hut vielleicht –, um sicherzustellen, daß es noch richtig sitzt. Sie hatte Angst, dies könnte das Ende ihres Lebens sein, aber in diesem Augenblick wohnte nicht Angst in ihrem Herzen, sondern Stolz. Sie sah nach links und stellte fest, daß Eddie Roland mit einem erstaunten Grinsen betrachtete. Jakes Gesichtsausdruck war noch einfacher: Bewunderung, unverhohlen und schlicht.
»Sag es ihm!« hauchte Jake. »Gib’s ihm! Recht so!«
»Du solltest besser zuhören«, stimmte Eddie zu. »Es ist ihm wirklich ziemlich scheißegal, Blaine. Nicht umsonst haben sie ihn den Tollen Hund von Gilead genannt.«
Nach einer langen Pause fragte Blaine: »HAT MAN DICH SO GENANNT, ROLAND, SOHN VON STEVEN?«
»Es könnte sein«, antwortete Roland, der gelassen in der Luft über dem leblosen Gebirgszug stand.
»WELCHEN NUTZEN HABT IHR FÜR MICH, WENN IHR MIR KEINE RÄTSEL AUFGEBT?« fragte Blaine. Jetzt hörte er sich wie ein verdrossenes, mürrisches Kind an, das ausnahmsweise einmal länger aufbleiben durfte.
»Ich habe nicht gesagt, daß wir das nicht tun würden«, sagte Roland.
»NICHT?« Blaine klang verwirrt. »ICH VERSTEHE NICHT, UND DOCH DEUTET DIE STIMMANALYSE AUF VERNÜNFTIGE ARGUMENTATION HIN. BITTE ERKLÄRE ES MIR.«
»Du hast gesagt, du möchtest sie sofort«, antwortete der Revolvermann. »Das habe ich abgelehnt. Dein Eifer hat dich unziemlich gemacht.«
»ICH VERSTEHE NICHT.«
»Er hat dich unhöflich gemacht. Verstehst du das?«
Es folgte eine lange, nachdenkliche Pause. Dann: »WENN DIR UNHÖFLICH ERSCHIEN, WAS ICH GESAGT HABE, SO BITTE ICH UM VERZEIHUNG.«
»Ich nehme die Entschuldigung an, Blaine. Aber es gibt noch ein größeres Problem.«
»ERKLÄRE.«
Jetzt hörte sich Blaine an, als wäre er seiner Sache nicht mehr so sicher, und das überraschte Roland nicht völlig. Es war lange her, seit der Computer andere menschliche Reaktionen als Unwissenheit, Ablehnung und
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