Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
erhob sich von seinem Sitz, ging nach vorn und legte wieder die Hand auf das scharlachrote Rechteck. Der Streckenplan erschien sofort. Der grüne Punkt hatte sich weiter von Rilea entfernt, aber für Eddie war klar, dass der Mono deutlich abgebremst hatte, womit er entweder einem vorgegebenen Programm folgte, oder aber Blaine hatte so viel Spaß an der Sache, dass er es nicht eilig hatte.
»IST DEIN KA-TET BEREIT, MIT UNSEREM JAHRMARKTSRÄTSELWETTSTREIT FORTZUFAHREN, ROLAND, SOHN DES STEVEN?«
»Ja, Blaine«, sagte Roland, und Eddie fand, dass sich seine Stimme belegt anhörte. »Ich werde dir jetzt eine Weile allein Rätsel aufgeben. Wenn du nichts dagegen hast.«
»ALS DINH UND VATER DEINES KA-TET IST DAS DEIN GUTES RECHT. WERDEN ES JAHRMARKTSRÄTSEL SEIN?«
»Ja.«
»GUT.« Abscheuliche Zufriedenheit in der Stimme. »DAVON WOLLTE ICH SOWIESO GERN MEHR HÖREN.«
»Also gut.« Roland holte tief Luft, dann fing er an. »Gib mir zu essen, und ich lebe. Gib mir zu trinken, und ich sterbe. Was bin ich?«
»FEUER.« Ohne ein Zögern. Nur diese unerträgliche Überheblichkeit, ein Ton, der besagte: Das war schon alt, als deine Großmutter noch jung war, aber versuch es noch mal! So viel Spaß habe ich seit Jahrhunderten nicht mehr gehabt, also versuch es noch mal!
»Ich gehe vor der Sonne, Blaine, und doch werfe ich keinen Schatten. Was bin ich?«
»WIND.« Ohne ein Zögern.
»Du sprichst die Wahrheit, Sai. Das Nächste. Es ist leichter als eine Feder, und doch kann kein Mensch es lange halten.«
»DEN ATEM.« Ohne ein Zögern.
Aber er hat gezögert, dachte Eddie mit einem Mal. Jake und Susannah sahen Roland mit gequälter Konzentration und geballten Fäusten an und beschworen ihn geradezu, Blaine das richtige Rätsel zu stellen, den Hammer, dasjenige, das die Du-kommst-aus-dem-Gefängnis-frei-Karte versprach; Eddie konnte sie nicht ansehen – schon gar nicht Suze – und sich gleichzeitig dabei konzentrieren. Er betrachtete seine Hände, die er ebenfalls geballt hatte, und zwang sich, sie flach auf den Schoß zu legen. Es fiel ihm überraschend schwer. Vom Mittelgang hörte er, wie Roland weiter die Golden Oldies seiner Jugend herunterleierte.
»Lös mir das, Blaine: Wenn du mich brichst, höre ich nicht auf zu arbeiten. Wenn du mich rührst, ist meine Arbeit getan. Wenn du mich verlierst, musst du mich wenig später mit einem Ring finden. Was bin ich?«
Susannah hielt kurz den Atem an, und obwohl Eddie den Blick gesenkt hielt, wusste er, dass sie dasselbe dachte, was auch er dachte: Das war ein gutes, ein verdammt gutes, vielleicht…
»DAS MENSCHLICHE HERZ«, sagte Blaine. Immer noch ohne das geringste Zögern. »DIESES RÄTSEL BASIERT ZUM GRÖSSTEN TEIL AUF POETISCHEN MENSCHLICHEN EINBILDUNGEN, MAN VERGLEICHE ZUM BEISPIEL JOHN AVERY, SIRONIA HUNTZ, ONDOLA, WILLIAM BLAKE, JAMES TATE, VERONICA MAYS UND ANDERE. ES IST BEMERKENSWERT, WIE MENSCHEN SICH AUF DIE LIEBE KONZENTRIEREN. UND DENNOCH IST SIE VON EINER EBENE DES TURMS ZUR NÄCHSTEN KONSTANT, SELBST IN DIESEN SCHLECHTEN ZEITEN. FAHRE FORT, ROLAND VON GILEAD.«
Susannah atmete weiter. Eddies Hände wollten sich wieder zu Fäusten ballen, aber er ließ es nicht zu. Geh näher mit dem Feuerstein hin, dachte er mit Rolands Stimme. Geh näher mit dem Feuerstein hin, um deines Vaters willen!
Und Blaine der Mono fuhr weiter in Richtung Südosten unter dem Dämonenmond dahin.
Kapitel 2
D IE W ASSERFÄLLE DER H UNDE
1
Jake wusste nicht, wie leicht oder schwer Blaine die letzten zehn Rätsel in Ringelrätselreihen finden würde, ihm jedenfalls kamen sie ziemlich kniffelig vor. Natürlich, vergegenwärtigte er sich, war er auch keine Denkmaschine mit einem Computergedächtnisspeicher von der Größe einer Stadt, auf den er zurückgreifen konnte. Er konnte es nur versuchen; Gott hasst Feiglinge, wie Eddie manchmal sagte. Wenn die letzten zehn nicht ausreichten, würde er es mit Aaron Deepneaus Simson-Rätsel versuchen (Speise ging von dem Fresser und so weiter). Wenn auch das nicht klappte, würde er… Scheiße, er wusste nicht, was er tun oder auch nur wie er sich fühlen würde. Tatsache ist, dachte Jake, ich bin im Eimer.
Warum auch nicht? In den letzten acht Stunden oder so hatte er einen außergewöhnlichen Haufen von Emotionen durchlaufen. Zuerst Todesangst: weil er sich sicher war, dass er und Oy von der Hängebrücke über den Fluss Send in den sicheren Tod stürzen würden; weil Gasher ihn durch das verrückte Labyrinth der Stadt Lud
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