Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
Dornenkrone auf der Stirn. Darunter drei trostheischende Worte in riesigen Buchstaben:
BITT FÜR UNS
Sie sah mit vorwurfsvollem Blick zu Eddie auf. Dann gab sie ihm das Zeitungsblatt und klopfte mit einem braunen Finger auf das Datum ganz oben. Es war der 24. Juni 1986. Eddie war ein Jahr später in die Welt des Revolvermanns gezogen worden.
Er hielt das Blatt lange Zeit in der Hand und strich mit dem Finger immer wieder über das Datum, so als könnte er es mit dieser Bewegung irgendwie ändern. Dann schaute er zu den anderen auf und schüttelte den Kopf. »Nein. Ich habe keine Erklärung für diese Stadt, diese Zeitung oder die Toten hier im Bahnhof, aber eines kann ich mit Fug und Recht behaupten – als ich weggegangen bin, war in New York noch alles in Ordnung. Oder etwa nicht, Roland?«
Der Revolvermann sah etwas gallig drein. »Mir kam nichts in deiner Stadt in Ordnung vor, aber die Menschen, die dort lebten, schienen keine Überlebenden einer derartigen Seuche zu sein, nein.«
»Es gab da etwas, was immer als Legionärskrankheit bezeichnet wurde«, sagte Eddie. »Und natürlich Aids…«
»Das ist die Sex-Krankheit, richtig?«, fragte Susannah. »Die von warmen Brüdern und Drogensüchtigen übertragen wurde?«
»Ja, aber in meinem Wann gehört es nicht zum guten Ton, Schwule als warme Brüder zu bezeichnen«, sagte Eddie. Er versuchte zu lächeln, aber das Lächeln kam ihm steif und unnatürlich vor, daher ließ er es bleiben.
»Also ist das… das nie passiert«, sagte Jake und berührte vorsichtig das Gesicht von Christus auf der Rückseite der Zeitung.
»Aber es ist geschehen«, sagte Roland. »Es geschah zur Juni-Aussaat des Jahres eintausendneunhundertsechsundachtzig. Und wir haben es hier mit den Auswirkungen dieser Seuche zu tun. Wenn Eddie Recht hat, was die Länge des verstrichenen Zeitraums betrifft, hat die Seuche dieser ›Supergrippe‹ zur Juni-Aussaat des letzten Jahres stattgefunden. Wir sind jetzt in Topeka, Kansas, im Erntemonat von sechsundachtzig. Das ist das Wann. Was das Wo betrifft, wissen wir alle, dass es nicht das von Eddie ist. Es könnte deines sein, Susannah, oder deines, Jake, weil ihr eure Welt verlassen habt, bevor dieses Wann eingetroffen ist.« Er zeigte auf das Datum der Zeitung, dann sah er Jake an. »Du hast einmal etwas zu mir gesagt. Ich bezweifle, ob du dich daran erinnerst, aber ich erinnere mich; es ist eines der wichtigsten Dinge, die jemals jemand zu mir gesagt hat: ›Dann geh, es gibt andere als diese Welten.‹«
»Noch mehr Rätsel«, sagte Eddie finster.
»Ist es nicht eine Tatsache, dass Jake Chambers schon einmal gestorben ist, jetzt aber gesund und munter vor uns steht? Oder zweifelt ihr an meiner Geschichte von seinem Tod unter den Bergen? Dass ihr von Zeit zu Zeit an meiner Ehrlichkeit zweifelt, weiß ich. Und ich nehme an, ihr habt eure Gründe dafür.«
Eddie dachte darüber nach, dann schüttelte er den Kopf. »Du lügst, wenn es deinen Zwecken dient, aber ich glaube, als du uns von Jake erzählt hast, warst du so im Arsch, dass du nur die Wahrheit sagen konntest.«
Roland stellte zu seinem Erstaunen fest, dass ihn das, was Eddie da sagte, irgendwie kränkte – Du lügst, wenn es deinen Zwecken dient –, aber er fuhr fort. Schließlich entsprach es im Grunde der Wahrheit.
»Wir sind zurück zum See der Zeit gegangen«, sagte der Revolvermann, »und haben ihn herausgezogen, bevor er dort ertrinken konnte.«
»Du hast ihn herausgezogen«, verbesserte ihn Eddie.
»Aber ihr habt geholfen«, sagte Roland, »und wenn es nur dadurch war, dass ihr mich am Leben gehalten habt; ihr habt geholfen, doch belassen wir es vorerst dabei. Darauf kommt es nicht an. Wichtiger ist, dass es viele mögliche Welten und eine unendliche Vielzahl von Türen gibt, die zu ihnen führen. Dies ist eine dieser Welten; die Schwachstelle, die wir hören können, ist eine dieser Türen… nur viel größer als die, die wir am Strand gefunden haben.«
»Wie groß denn?«, fragte Eddie. »So groß wie das Tor einer Lagerhalle oder so groß wie die Lagerhalle selbst?«
Roland schüttelte den Kopf und hob die Handflächen zum Himmel – wer weiß?
»Diese Schwachstelle«, sagte Susannah. »Wir sind nicht nur in ihrer Nähe, oder? Wir sind durchgekommen. So sind wir hierher gelangt, in diese Version von Topeka.«
»Möglich«, sagte Roland. »Hat einer von euch etwas Seltsames gespürt? Ein Schwindelgefühl oder eine vorübergehende Übelkeit?«
Sie
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