Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
Bahnhofshalle eingeschlafen waren und den letzten Zug nach Hause verpasst hatten. An der Wand hinter ihnen hing ein Schild mit der Aufschrift Abfahrtszeiten, darunter standen die Namen von Städten und Orten und Baronien in einer Reihe. DENVER, lautete einer. Wichita ein anderer. Omaha ein dritter. Roland hatte einmal einen einäugigen Spieler namens Omaha gekannt; er war mit einem Messer in der Kehle an einem Watch-Me-Tisch gestorben. Er hatte die Lichtung am Ende des Pfades mit zurückgelegtem Kopf betreten und bei seinem letzten Atemzug die ganze Decke mit Blut bespritzt. Von der Decke des Raums vor ihm (den Rolands verstockter und träger Verstand hartnäckig als Zwischenstation betrachtete, als wäre dies eine Raststelle an einer halb vergessenen Postkutschenstraße wie derjenigen, die ihn nach Tull geführt hatte) hing eine wunderschöne Uhr mit vier Zifferblättern. Die Zeiger waren bei 4.14 Uhr stehen geblieben, und Roland vermutete, dass sie sich nie wieder bewegen würden. Das war ein bedrückender Gedanke… aber dies war auch eine traurige Welt. Er konnte keine weiteren Toten sehen, aber die Erfahrung hatte ihn gelehrt, wo zwei Tote herumlagen, lagen wahrscheinlich vier weitere irgendwo außer Sichtweite. Oder vier Dutzend.
»Sollten wir nicht lieber reingehen?«, fragte Eddie.
»Warum!«, erwiderte der Revolvermann. »Wir haben hier nichts zu suchen; es gehört nicht zum Pfad des Balkens.«
»Du würdest einen großartigen Fremdenführer abgeben«, sagte Eddie spitz. ›»Alle schön zusammenbleiben, und laufen Sie bitte nicht in die…‹«
Jake unterbrach ihn mit einer Frage, die Roland nicht verstand. »Hat einer von euch ein paar Groschen?« Der Junge sah Eddie und Susannah an. Neben ihm befand sich ein rechteckiges Metallkästchen. Darauf stand in blauen Buchstaben:
D AS T OPEKA C APITAL J OURNAL
B ERICHT ÜBER ALLES W ISSENSWERTE IN K ANSAS !
D IE Z EITUNG I HRER H EIMATSTADT !
V ERPASSEN S IE KEINEN T AG !
Eddie schüttelte amüsiert den Kopf. »Hab mein ganzes Kleingeld irgendwann verloren. Wahrscheinlich beim Bäumeklettern, kurz bevor du zu uns gestoßen bist, als ich versucht habe, kein Imbiss für einen Roboterbären zu werden. Tut mir Leid.«
»Moment mal… Moment mal…« Susannah hatte ihre Tasche aufgemacht und kramte auf eine Weise darin herum, bei der Roland breit grinsen musste, obwohl er mit seinen Gedanken ganz woanders war. Irgendwie war das so typisch Frau. Sie nestelte zerknüllte Papiertaschentücher auseinander und schüttelte sie, um sich zu vergewissern, dass nichts darin steckte, fischte eine Puderdose heraus, sah sie an, warf sie wieder hinein, förderte einen Kamm zutage, warf den wieder hinein…
Sie war so beschäftigt, dass sie nicht mitbekam, wie Roland an ihr vorbeischlenderte und ihr den Revolver aus dem Schulterhalfter zog, den er unterwegs für sie gebastelt hatte. Er feuerte einen einzigen Schuss ab. Susannah stieß einen kurzen Schrei aus, ließ die Handtasche fallen und griff nach dem leeren Holster unter ihrer linken Brust.
»Blassbacke, du hast mir einen Heidenschreck eingejagt!«
»Du solltest besser auf deine Waffe aufpassen, Susannah, sonst könnte es sein, dass das Loch beim nächsten Mal, wenn sie dir einer wegnimmt, zwischen deinen Augen ist, statt… Was ist das, Jake? Eine Art Nachrichtengerät? Oder enthält es Papier?«
»Beides.« Jake sah erschrocken aus. Oy hatte sich halb den Bahnsteig hinunter verkrochen und sah Roland misstrauisch an. Jake steckte den Finger in die Mitte des Verschlusses des Zeitungskastens. Ein kleines Rauchwölkchen kam daraus hervor.
»Los doch«, sagte Roland. »Mach es auf.«
Jake zog am Griff. Er leistete einen Moment Widerstand, dann fiel irgendwo im Innern ein Stück Metall herunter, und die Klappe ging auf. Der Kasten selbst war leer; auf einem Schild an der Rückwand Stand: WENN KEINE ZEITUNG MEHR DA IST , BITTE AUSSTELLUNGSEXEMPLAR nehmen. Jake zog sie aus der Drahthalterung, dann versammelten sich alle darum.
»Was, in Gottes Namen…?« Susannahs Flüstern klang entsetzt und vorwurfsvoll zugleich. »Was soll das bedeuten? Was, in Gottes Namen, ist hier passiert?«
Unter dem Titel der Zeitung stand in schreienden schwarzen Buchstaben, die fast die halbe erste Seite einnahmen:
SUPERGRIPPE »CAPTAIN TRIPS«
GRASSIERT UNGEHINDERT
FÜHRENDE REGIERUNGSBEAMTE MÖGLICHERWEISE AUS DEM LAND GEFLOHEN
KRANKENHÄUSER VON TOPEKA ÜBERFÜLLT MIT KRANKEN UND STERBENDEN
MILLIONEN BETEN UM
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