Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
liebt starke Getränke, aber noch mehr liebt er junge Mädchen«, sagte Will. »Stimmt das, was würdet Ihr sagen?«
»Ich finde, davon solltet Ihr Euch selbst ein Bild machen«, sagte sie und unterdrückte mühsam ein Lächeln.
»Wie auch immer, wir werden auch dem Ehrenwerten Kimba Rimer unsere Aufwartung machen, Thorins Kanzler, und soweit ich weiß, kennt der seine Schäfchen. Und zählt seine Schäfchen.«
»Thorin wird Euch zum Abendessen ins Haus des Bürgermeisters einladen«, sagte Susan. »Vielleicht nicht gleich morgen Abend, aber sicher am Abend danach.«
»Ein Staatsempfang in Hambry«, sagte Will, der lächelnd immer noch Rushers Nüstern streichelte. »Ihr Götter, wie soll ich nur die Qual meiner Vorfreude ertragen?«
»Hütet Euer Schandmaul«, sagte sie, »aber hört gut zu, wenn Ihr mein Freund seid. Es ist sehr wichtig.«
Das Lächeln verschwand, und sie sah wieder – wie kurz zuvor – den Mann, zu dem er in nicht allzu vielen Jahren heranreifen würde. Das harte Gesicht, die konzentrierten Augen, der gnadenlose Mund. Es war ein in jeder Hinsicht beängstigendes Gesicht – eine beängstigende Aussicht –, und doch wurde die Stelle wieder warm, wo die alte Vettel sie angefasst hatte, und sie konnte den Blick kaum von ihm abwenden. Wie, fragte sie sich, mochte sein Haar unter dem albernen Hut aussehen, den er trug?
»Heraus damit, Susan.«
»Wenn Ihr und Eure Freunde bei Thorin am Tisch sitzt, werdet Ihr mich vielleicht sehen. Wenn Ihr mich seht, Will, seht mich zum ersten Mal. Seht Miss Delgado, so wie ich Mr. Dearborn sehen werde. Habt Ihr meine Worte verstanden?«
»Voll und ganz.« Er sah sie nachdenklich an. »Gehört Ihr zum Gesinde? Wenn Euer Vater der Oberste Herdenführer der Baronie war, müsst Ihr doch sicher nicht…«
»Kümmert Euch nicht darum, was ich tue oder lasse. Versprecht mir nur, dass wir uns zum ersten Mal begegnen, wenn wir uns in Seafront begegnen.«
»Ich verspreche es. Aber…«
»Keine Fragen mehr. Wir haben die Stelle fast erreicht, wo unsere Wege sich trennen müssen, und ich möchte Euch noch eine Warnung mitgeben – womöglich als gerechten Lohn für den Ritt auf Eurem wunderschönen Pferd. Wenn Ihr mit Thorin und Rimer speist, werdet Ihr nicht die einzigen Neuankömmlinge an seinem Tisch sein. Wahrscheinlich sind drei andere anwesend, Männer, die Thorin als private Leibgarde angeheuert hat.«
»Nicht als Hilfssheriffs?«
»Nay, sie sind keinem anderen als Thorin verantwortlich… oder vielleicht Rimer. Ihre Namen sind Jonas, Depape und Reynolds. Für mich sehen sie wie schwere Jungs aus… wenn auch Jonas’ Jugendzeit so lange zurückliegen dürfte, dass er selbst nicht mehr weiß, dass er einmal eine gehabt hat.«
»Dieser Jonas ist der Anführer?«
»Aye. Er hinkt, hat Haar, das ihm hübsch wie das eines Mädchens auf die Schultern fällt, und die zittrige Stimme eines Greises, der seine Tage damit verbringt, den Kaminsims zu polieren. Aber ich glaube dennoch, dass er der Gefährlichste der drei ist. Ich glaube, diese drei haben mehr vergessen, wie es ist, auf den Putz zu hauen, als Ihr und Eure Freunde je lernen werdet.«
Also warum hatte sie ihm das alles erzählt? Sie wusste es nicht genau. Vielleicht aus Dankbarkeit. Er hatte versprochen, diese nächtliche Begegnung für sich zu behalten, und er sah aus wie einer, der seine Versprechen hielt, ob er nun überkreuz mit seinem Vater war oder nicht.
»Ich werde sie im Auge behalten. Und ich danke Euch für den Rat.« Sie erklommen einen langen, sanften Hang. Oben am Himmel funkelte die Alte Mutter unbarmherzig. »Eine Leibgarde«, sagte er nachdenklich. »Eine Leibgarde im verschlafenen kleinen Hambry. Es sind seltsame Zeiten, Susan. Wahrlich seltsam.«
»Aye.« Sie hatte sich auch schon Gedanken wegen Jonas, Depape und Reynolds gemacht, aber keinen guten Grund gefunden, weshalb sie in der Stadt sein sollten. War es Rimers Tun, Rimers Entscheidung gewesen? Das schien wahrscheinlich zu sein – Thorin gehörte nicht zu dem Typ Mann, der auch nur an Leibwächter dachte, hätte sie gesagt, der Hohe Sheriff hatte ihm stets ausgereicht – aber dennoch… warum?
Sie ritten bergauf. Unter ihnen lag eine Ansammlung von Gebäuden – das Dorf Hambry. Nur wenige Lichter brannten noch. Die hellste Stelle kennzeichnete den Traveller’s Rest. Von hier konnten sie mit dem warmen Wind ein Klavier hören, auf dem »Hey Jude« gespielt wurde, wobei eine ganze Anzahl betrunkener Stimmen fröhlich den
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