Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
Welt, die sich völlig darauf verlassen können, dass sie bekommen, was sie verdienen. Bei diesem alten Sprichwort musste er an den narbigen und o-beinigen Mann denken, der der größte Lehrmeister seines Lebens gewesen war, und lächelte.
Schließlich lenkte er sein Pferd bergab zu dem Rinnsal eines Bächleins, das dort verlief, und folgte ihm anderthalb Meilen weit flussaufwärts (an mehreren Pferdeherden vorbei; die Tiere betrachteten Rusher mit einer Art verschlafener, glotzäugiger Überraschung) bis zu einem Weidenwäldchen. Aus dem Inneren wieherte leise ein Pferd. Rusher wieherte als Antwort, scharrte mit einem Huf und nickte mit dem Kopf.
Sein Reiter zog den Kopf ein, während er unter den Weidenzweigen hindurchritt, und plötzlich schwebte ein schmales, nicht menschliches Gesicht vor ihm, dessen obere Hälfte förmlich von pupillenlosen schwarzen Augen verschlungen wurde.
Er griff nach seiner Waffe – zum dritten Mal heute Nacht, verflucht noch mal, und zum dritten Mal war nichts da. Nicht, dass es eine Rolle gespielt hätte; er erkannte bereits, was da an einer Schnur vor ihm hing: dieser idiotische Krähenschädel.
Der junge Mann, der sich derzeit Arthur Heath nannte, hatte ihn von seinem Sattel abgenommen (es amüsierte ihn, den Schädel, der derzeit ihr Versteck bewachte, »hässlich wie eine alte Oma, aber ziemlich genügsam im Unterhalt« zu nennen) und als scherzhafte Begrüßung aufgehängt. Er und seine Scherze! Rushers Herr schlug den Schädel so heftig beiseite, dass die Schnur riss und der Schädel in die Dunkelheit flog.
»Pfui, schäm dich, Roland«, sagte eine Stimme aus dem Schatten. Sie klang vorwurfsvoll, aber unter der Oberfläche blubberte Gelächter… wie immer. Cuthbert war sein ältester Freund – die Spuren ihrer ersten Zähne hatten sich in viele gemeinsame Spielsachen eingegraben –, aber Roland hatte ihn in mancherlei Hinsicht nie verstanden. Und es war nicht nur sein Gelächter; an jenem längst vergangenen Tag, als Hax, der Palastkoch, wegen Hochverrats auf dem Galgenberg gehängt werden sollte, hatte Cuthbert die Qualen von Grauen und Gewissensbissen durchlebt. Er hatte Roland gesagt, er könne nicht bleiben, könne nicht zusehen… aber am Ende hatte er doch beides getan. Weder die dummen Witze noch die Gefühle an der Oberfläche entsprachen nämlich dem wahren Cuthbert Allgood.
Als Roland die Mulde in der Mitte des Wäldchens erreichte, trat eine dunkle Gestalt hinter einem der Bäume hervor, wo sie Wache gestanden hatte. Auf halbem Weg über die Lichtung wurde sie zu einem großen Jungen mit schmalen Hüften, der unterhalb der Jeans barfüßig und oberhalb barbrüstig war. In einer Hand hielt er einen riesigen antiken Revolver – einen Typ, der aufgrund der Größe der Trommel manchmal Bierfass genannt wurde.
»Pfui«, wiederholte Cuthbert, als gefiele ihm der Klang dieses Wortes, das nur in vergessenen Hinterländern wie Mejis nicht archaisch klang. »Eine schöne Art, die Dienst habende Wache zu behandeln, den armen schmalgesichtigen Burschen halb bis zur nächsten Bergkette zu schlagen!«
»Wenn ich eine Waffe getragen hätte, dann hätte ich ihn wahrscheinlich in Stücke geschossen und dadurch das halbe Land aufgeweckt.«
»Ich wusste, dass du nicht gegürtet herumlaufen würdest«, antwortete Cuthbert nachsichtig. »Du siehst bemerkenswert schlecht aus, Roland, Sohn des Steven, aber du lässt dich von niemandem zum Narren halten, auch wenn du dich schon dem biblischen Alter von fünfzehn Jahren näherst.«
»Ich dachte, wir wären uns einig gewesen, die Namen zu benutzen, unter denen wir reisen. Auch unter uns.«
Cuthbert streckte den Fuß aus, drückte die bloße Ferse in den Sand und verbeugte sich mit ausgestreckten Armen und an den Gelenken übertrieben geneigten Händen – eine begnadete Imitation des Typs Mann, der für eine Karriere am Hof bestimmt war. Außerdem hatte er frappante Ähnlichkeit mit einem Reiher, der in einer Marsch stand, und Roland konnte ein schnaubendes Lachen nicht unterdrücken. Dann legte er die Innenseite seines linken Handgelenks an die Stirn, um zu sehen, ob er Fieber hatte. In seinem Kopf fühlte er sich fiebrig genug, das wussten die Götter, aber die Haut oberhalb seiner Augen fühlte sich kühl an.
»Ich erflehe deine Verzeihung, Revolvermann«, sagte Cuthbert, der Hände und Augen immer noch demütig abwärts gerichtet hielt.
Rolands Lächeln erlosch. »Und nenn mich nie wieder so, Cuthbert. Bitte. Hier nicht,
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