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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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vergangen waren und sie bald gezwungen sein würde, ihrem Gewerbe hinter dem Traveller’s auf den Knien nachzugehen und nicht mehr oben in einer der winzigen Kammern. Ihre plumpen Beine waren gespreizt, eines hing an der Innenseite über den Tresen, eines an der Außenseite, dazwischen bauschte sich das schmutzige Durcheinander ihres Rocks. Sie atmete mit lang gezogenen Schnarchtönen und zuckte dann und wann mit ihren Füßen und Wurstfingern. Die einzigen anderen Geräusche waren der heiße Sommerwind draußen und das leise, regelmäßige Klatschen von Karten, die eine nach der anderen umgedreht wurden.
    Neben der Schwingtür, die auf Hambrys Hauptstraße hinausging, stand ein kleiner Tisch abseits; dort saß Coral Thorin, die Besitzerin des Traveller’s Rest (und Schwester des Bürgermeisters), in den Nächten, wenn sie von ihrer Suite herabkam, »um an der Gesellschaft teilzunehmen«. Wenn sie herunterkam, kam sie früh – solange noch mehr Steaks als Whiskey über den zerkratzten Tresen geschoben wurden – und ging etwa zu der Zeit wieder nach oben, wenn Sheb, der Klavierspieler, seinen Platz einnahm und anfing, auf sein grässliches Instrument einzuhämmern. Der Bürgermeister selbst kam niemals hierher, obwohl allgemein bekannt war, dass ihm der Traveller’s mindestens zur Hälfte gehörte. Dem Thorin-Clan gefiel das Geld, das das Etablissement einbrachte; nur der Anblick nach Mitternacht gefiel ihnen nicht, dann wenn das Sägemehl auf dem Boden das verschüttete Bier und das vergossene Blut aufzusaugen begann. Dennoch hatte Coral, die vor zwanzig Jahren der Typ gewesen war, den man als »wildes Kind« bezeichnete, einen harten Zug an sich. Sie war jünger als ihr Politikerbruder, nicht so dünn, und mit ihren Glupschaugen und dem Wieselkopf auf eine eigentümlich herbe Weise hübsch. Niemand setzte sich zu ihr an den Tisch, solange der Saloon geöffnet hatte – Barkie hätte jeden daran gehindert, der es gewagt hätte, und zwar schleunigst –, aber jetzt war geschlossen, die Betrunkenen weitgehend gegangen oder oben umgekippt; Sheb schlief zusammengerollt in der Ecke hinter seinem Klavier. Der schwachsinnige Junge, der immer das Etablissement putzte, war seit etwa zwei Uhr fort (unter Johlen und Beleidigungen und ein paar fliegenden Biergläsern hinausgejagt worden, so wie immer; zumal Roy Depape verspürte keinerlei Zuneigung zu diesem speziellen Burschen). Gegen neun oder so würde er wiederkommen und den alten Amüsierpalast für eine weitere ausgelassene Nacht vorbereiten, aber bis dahin hatte der Mann, der an Mistress Thorins Tisch saß, das Lokal ganz für sich allein.
    Vor ihm lag eine Patience: Schwarz auf Rot, Rot auf Schwarz, und über allem die bereits abgelegten Karten, genau wie es in den Angelegenheiten der Menschen sein sollte. In der linken Hand hielt der Spieler den Rest des Blatts. Wenn er die Karten eine nach der anderen umdrehte, bewegte sich die Tätowierung auf seiner rechten Hand. Es sah irgendwie beunruhigend aus, so als würde der Sarg atmen. Der Kartenspieler war ein älterer Herr, nicht so dünn wie der Bürgermeister und dessen Schwester, aber dennoch dünn. Sein langes, weißes Haar fiel ihm auf den Rücken. Er war braungebrannt, außer am Hals, wo er immer einen Sonnenbrand bekam; die Haut dort hing in Lappen herab. Sein Schnurrbart war so lang, dass die zerfransten weißen Enden fast bis zum Kinn hinabhingen – ein falscher Revolvermannschnurrbart, dachten viele, aber niemand hätte Eldred Jonas das Wort »falsch« ins Gesicht gesagt. Er trug ein weißes Seidenhemd, ein Revolver mit schwarzem Griff hing tief an seiner Hüfte. Seine großen, rot geränderten Augen wirkten auf den ersten Blick traurig. Ein zweiter, gründlicherer Blick zeigte, dass sie lediglich wässrig waren. Abgesehen davon blickten sie so emotionslos drein wie die Augen des Wildfangs.
    Er drehte das Kreuz-Ass um. Kein Platz dafür. »Pah, du Miststück«, sagte er mit einer seltsam quäkenden Stimme. Sie zitterte obendrein wie die Stimme eines Mannes, der gleich in Tränen ausbrechen würde. Sie passte perfekt zu seinen feuchten, rot geränderten Augen. Er strich die Karten zusammen.
    Bevor er neu mischen konnte, ging oben leise eine Tür auf und wieder zu. Jonas legte die Karten beiseite und die Hand auf den Revolvergriff. Als er hörte, dass es nur Reynolds war, der da in seinen Stiefeln die Galerie entlanggeschritten kam, ließ er die Waffe los und zog stattdessen den Tabaksbeutel vom Gürtel. Der

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