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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Geschenke« eines reichen Mannes. Der Ausdruck war natürlich ein konventionelles Zugeständnis… oder ein bitterer Witz, je nach Stimmung und Einstellung. Felicia war ebenso wenig ein Geschenk, wie Pylon eines gewesen war – es handelte sich um die schrittweise Erfüllung des Vertrages, auf den sie sich eingelassen hatte. Tante Cord mochte noch so schockiert tun, aber Susan kannte die Wahrheit: was ihr unmittelbar bevorstand, war das Dasein einer Hure, schlicht und einfach.
    Tante Cord stand am Küchenfenster, als Susan ihr Geschenk (bei dem es sich ihrer Meinung nach lediglich um ihren Besitz handelte, den sie zurückbekam) in den Stall brachte. Sie rief etwas gequält Fröhliches, dass das Pferd ein Segen wäre, dass die Fürsorge für es Susan weniger Zeit für ihre Launen lassen würde. Susan spürte eine hitzige Antwort auf der Zunge, hielt sie aber zurück. Seit dem Streit wegen des Hemdes herrschte ein behutsamer Waffenstillstand zwischen den beiden, und Susan wollte nicht diejenige sein, die ihn brach. Zu viel ging ihr durch den Kopf und lag ihr auf dem Herzen. Sie dachte, noch ein Streit mit ihrer Tante, und sie würde einfach wie ein trockener Zweig unter einer Stiefelsohle brechen. Weil Schweigen oft das Beste ist, hatte ihr Vater ihr einmal gesagt, als sie ihn im Alter von etwa zehn Jahren fragte, warum er immer so still sei. Damals hatte die Antwort sie verwirrt, aber jetzt verstand sie sie um einiges besser.
    Sie stellte Felicia neben Pylon in den Stall, striegelte sie und gab ihr zu fressen. Während die Stute ihren Hafer mampfte, untersuchte Susan die Hufe. Der Zustand der Eisen, die das Tier trug, gefiel ihr nicht besonders – es war typisch Seafront –, daher nahm sie den Hufeisenbeutel ihres Vaters vom Haken neben der Stalltür, schlang sich den Gurt über Kopf und Schulter und ging dann die zwei Meilen zu Hookeys Stall. Als sie den Lederbeutel an der Hüfte spürte, überkamen sie so frische und deutliche Erinnerungen an ihren Vater, dass sie wieder einmal von Kummer überwältigt wurde und ihr zum Weinen zumute war. Sie glaubte, dass er entsetzt über ihre derzeitige Lage gewesen wäre, vielleicht sogar angewidert. Und er hätte Will Dearborn gemocht, da war sie sich ganz sicher – er hätte ihn gemocht und für sie gutgeheißen. Dieser Gedanke war dann auch der letzte Tropfen, der das Tränenfass zum Überlaufen brachte.
     
     

2
     
    Sie wusste seit Kindesbeinen an, wie man Pferde beschlug, und fand sogar Gefallen daran, wenn sie in der richtigen Stimmung war; es war eine staubige, handfeste Arbeit, wenngleich auch immer die Gefahr bestand, dass man einen anständigen Tritt in den Hintern bekam, der einem die Langeweile vertrieb und ein Mädchen in die Wirklichkeit zurückholen konnte. Aber von der Herstellung von Hufeisen verstand sie gar nichts und wollte es auch nicht. Brian Hookey machte jedoch welche in der Schmiede hinter seiner Scheune und dem Mietstall; Susan wählte in aller Ruhe vier neue in der richtigen Größe aus und genoss dabei den Geruch von Pferden und frischem Heu. Und frischer Farbe. Hookeys Scheune sah wirklich sehr gut aus. Als sie aufschaute, konnte sie kein einziges Loch im Dach erkennen. Es schien, als gingen Hookeys Geschäfte ziemlich gut.
    Er addierte den Preis für die neuen Hufeisen auf einem Balken, während er noch seine Hufschmiedschürze trug und die geschriebenen Zahlen mit einem grässlich zugekniffenen Auge betrachtete. Als Susan stockend von der Bezahlung sprach, lachte er, sagte ihr, er wisse schon, dass sie ihre Schulden bezahlen werde, so schnell sie könne, die Götter mögen sie segnen, aye. Und außerdem würde keiner von ihnen fortgehen, oder? Papperlapapp. Er sprach die ganze Zeit, während er sie durch den Duft von Heu und Pferden zum Tor begleitete. Noch vor einem Jahr hätte er selbst eine Kleinigkeit wie vier Hufeisen nicht so großzügig abgetan, aber nun war sie die gute Freundin von Bürgermeister Thorin, und alles hatte sich verändert.
    Nach dem Halbdunkel in Hookeys Scheune kam ihr das nachmittägliche Sonnenlicht grell vor, und sie war vorübergehend geblendet und tastete sich zur Straße, während ihr der Lederbeutel gegen die Seite schlug und die Hufeisen darin leise klirrten. Sie hatte gerade noch Zeit, eine Gestalt in der Helligkeit zu erkennen, und dann stießen sie so fest zusammen, dass ihre Zähne aufeinander schlugen und Felicias neue Eisen laut schepperten. Sie wäre gestürzt, hätten nicht kräftige Hände sie rasch an

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