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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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schrumpfte und silberfarben wurde. Schließlich stand er so hoch, dass er sein knöchernes Licht in den Eyebolt Canyon warf. Die drei Jungen standen da und sahen nach unten. Keiner sagte ein Wort. Roland konnte nicht für seine Freunde sprechen, aber er glaubte, dass er kein Wort herausgebracht hätte, selbst wenn es von ihm verlangt worden wäre.
    Eine kastenförmige Schlucht, sehr kurz und mit steilen Wänden, hatte Susan gesagt, und die Beschreibung passte haargenau. Sie hatte auch gesagt, dass der Eyebolt wie ein Schornstein aussah, der auf der Seite lag, und Roland vermutete, dass das ebenfalls stimmte, wenn man davon ausging, dass ein Schornstein beim Umstürzen leicht auseinander brach und mit einem Knick in der Mitte liegen blieb.
    Bis zu diesem Knick sah der Grund des Canyons durchaus normal aus; nicht einmal die Knochen, die der Mond ihnen zeigte, waren ungewöhnlich. Viele Tiere, die in einen solchen Sackgassen-Canyon wanderten, besaßen nicht genügend Verstand, um wieder hinauszufinden, und im Falle des Eyebolt waren die Möglichkeiten, zu entkommen, durch das am Eingang aufgeschichtete Gehölz zusätzlich reduziert. Die Seitenwände waren viel zu steil zum Erklettern, abgesehen vielleicht von einer Stelle kurz vor dem kleinen Knick. Dort sah Roland eine Art von Rille an der Felswand entlanglaufen, in der es – möglicherweise! – genug Vorsprünge gab, an denen man Platz für Hand und Fuß finden konnte. Er hatte keinen besonderen Grund, das wahrzunehmen; er nahm es einfach zur Kenntnis, wie er sein ganzes Leben lang mögliche Fluchtwege zur Kenntnis nehmen würde.
    Jenseits der Kerbe im Talboden befand sich etwas, was noch keiner von ihnen je zuvor gesehen hatte… Und als sie Stunden später ins Schlafhaus zurückkehrten, waren sie sich alle darin einig, dass sie eigentlich gar nicht genau wussten, was sie da gesehen hatten. Der hintere Teil des Eyebolt Canyon wurde von einer trüben, silbrigen Suppe verhüllt, aus der Dunst oder Nebel in schlangenförmigen Schwaden aufstieg. Die Flüssigkeit schien träge zu schwappen und gegen die Wände zu wogen, die sie umschlossen. Später sollten sie feststellen, dass Flüssigkeit und Nebel eine hellgrüne Farbe hatten; lediglich im Mondschein sahen sie silbern aus.
    Während sie noch hinuntersahen, kam ein dunkler fliegender Umriss – vielleicht war es derselbe, der sie vorhin erschreckt hatte – auf die Oberfläche der Schwachstelle herabgestoßen. Er schnappte etwas aus der Luft – ein Insekt? einen anderen, kleineren Vogel? – und stieg wieder höher. Bevor ihm das jedoch gelingen konnte, stieg ein silbriger Arm der Flüssigkeit vom Boden des Canyons empor. Für kurze Zeit wurde das sämige, knirschende Grollen einen Ton höher und verwandelte sich fast in eine Stimme. Der Arm schnappte sich den Vogel in der Luft und zog ihn nach unten. Kurzfristig blitzte ein verschwommenes grünliches Licht wie Elektrizität über die Oberfläche der Schwachstelle, um dann gleich darauf wieder zu erlöschen.
    Die drei Jungen sahen einander mit erschrockenen Augen an.
    Spring rein, Revolvermann, rief plötzlich eine Stimme. Es war die Stimme der Schwachstelle; es war die Stimme seines Vaters; es war auch die Stimme von Marten, dem Zauberer, Marten, dem Verführer. Am schrecklichsten aber, es war seine eigene Stimme.
    Spring rein und mach all diesen Sorgen ein Ende. Hier gibt es keine Liebe von Mädchen, um die du dich grämen musst, keine Trauer um verlorene Mütter, die dir das kindliche Herz schwer machen. Nur das Summen der wachsenden Höhle im Mittelpunkt des Universums; nur die faulige Süße von verwesendem Fleisch.
    Komm, Revolvermann. Sei Teil der Schwachstelle.
    Mit verträumtem Gesicht und leerem Blick ging Alain am Rand des Abgrunds entlang; sein rechter Fuß war so dicht an der Kante, dass der Absatz kleine Staubwölkchen über der Kluft aufsteigen ließ und Geröll den Hang hinunterrollte. Er war noch keine fünf Schritte weit gekommen, als Roland ihn am Gürtel packte und grob zurückzog.
    »Wo willst du denn hin?«
    Alain sah ihn mit den Augen eines Schlafwandlers an. Sie klärten sich allmählich, aber nur ganz langsam. »Ich… weiß nicht, Roland.«
    Unter ihnen summte und knurrte und sang die Schwachstelle. Und obendrein ertönte ein Geräusch: ein blubberndes, schleimiges Murmeln.
    »Ich weiß es«, sagte Cuthbert. »Ich weiß, wohin wir alle gehen. Zurück zur Bar K. Kommt, verschwinden wir von hier.« Er sah Roland flehentlich an. »Bitte. Es ist

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