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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Etwas beunruhigend… etwas beunruhigend… etwas…
     
     

2
     
    Der Revolvermann erwachte hochschreckend, winkte mit seiner verstümmelten Hand nach etwas und war überzeugt davon, daß sich binnen eines Augenblicks eines der monströsen Schalentiere aus dem Westlichen Meer auf ihn stürzen und verzweifelt in seiner fremden Sprache Fragen stellen würde, während es ihm das Gesicht vom Schädel riß.
    Statt dessen flatterte ein Meeresvogel, den das Glitzern der Morgensonne auf seinen Hemdknöpfen angelockt hatte, mit erschrockenem Krächzen davon.
    Roland setzte sich auf.
    Seine Hand pochte übel und unablässig. Sein rechter Fuß ebenso. Beide Finger und der Zeh beharrten darauf, daß sie noch da waren. Die untere Hälfte seines Hemds war fort; was übriggeblieben war, erinnerte an eine ausgerissene Unterjacke. Mit einem Stück hatte er seine Hand verbunden, mit dem anderen den Fuß.
    Geht weg, sagte er zu seinen fehlenden Körperteilen. Ihr seid jetzt Geister. Geht weg.
    Das half ein wenig. Nicht viel, aber ein wenig. Sie waren Geister, richtig, aber lebhafte Geister.
    Der Revolvermann aß ruckhaft. Sein Mund wollte wenig, sein Magen noch weniger, aber er bestand darauf. Als er es in sich hatte, fühlte er sich ein wenig kräftiger. Aber es war nicht mehr viel übrig; er war beinahe mittellos.
    Dennoch mußte verschiedenes getan werden.
    Er erhob sich unsicher auf die Beine und sah sich um. Vögel flogen und stießen hernieder, aber die Welt schien ausschließlich ihnen und ihm zu gehören. Die Monstrositäten waren verschwunden. Vielleicht waren sie Nachtlebewesen; vielleicht von den Gezeiten abhängig. Derzeit schien das einerlei zu sein.
    Das Meer war gewaltig, es verschmolz an einem nebelverhangenen blauen Punkt, der unmöglich zu bestimmen war, mit dem Horizont. Während er nachdachte, vergaß der Revolvermann lange Augenblicke seine Schmerzen. Er hatte noch niemals soviel Wasser gesehen. Er hatte natürlich in Kindergeschichten davon gehört; seine Lehrmeister – jedenfalls einige – hatten ihm versichert, daß es existierte – aber sie nach all den Jahren der Trockenheit tatsächlich zu sehen, diese Unermeßlichkeit, diese erstaunliche Wassermasse, war schwer zu akzeptieren… sogar schwer zu sehen.
    Er betrachtete es lange Zeit verzückt, zwang sich, es zu sehen, vergaß vorübergehend vor Staunen seine Schmerzen.
    Aber es war Morgen, und es mußte noch verschiedenes getan werden.
    Er tastete nach dem Kieferknochen in seiner Tasche, tastete behutsam mit der Handfläche, weil er nicht wollte, daß die Stummel seiner Finger damit in Berührung kamen, sollte er noch da sein, damit das unablässige Pochen der Hand nicht in schluchzende Schreie verwandelt wurde.
    Er war noch da.
    Gut.
    Zum nächsten.
    Er schnallte unbeholfen die Revolvergurte ab und legte sie auf einen sonnigen Felsen. Er nahm die Pistolen heraus, klappte die Trommeln auf und entfernte die nutzlosen Patronen. Er warf sie weg. Ein Vogel stieß auf den hellen Schimmer hernieder, den eine von ihnen zurückwarf, hob sie mit dem Schnabel auf, ließ sie dann fallen und flog wieder weg.
    Auch die Revolver selbst mußten versorgt werden, hätten schon vorher versorgt werden müssen, aber da kein Revolver in dieser oder einer anderen Welt ohne Munition mehr als eine Keule war, legte er die Halfter selbst in den Schoß, ehe er etwas anderes tat, und strich sorgfältig mit der linken Hand über das Leder.
    Jeder war von Schnalle und Klammer bis zu dem Punkt, wo die Gurte seine Hüften überkreuzten, feucht geworden; von dieser Stelle an schienen sie trocken zu sein. Er holte vorsichtig jede trockene Patrone aus den trockenen Abschnitten der Gurte. Seine rechte Hand versuchte ständig, das zu übernehmen, beharrte darauf, trotz der Schmerzen ihre Behinderung zu vergessen, und er stellte fest, daß sie immer und immer wieder zum Knie zurückkehrte, wie ein Hund, der zu dumm oder zu störrisch war, um Männchen zu machen. Er war, von seinen Schmerzen abgelenkt, ein- oder zweimal nahe daran, sie zu quetschen.
    Ich sehe ernste Probleme auf mich zukommen, dachte er wieder.
    Er legte diese hoffentlich noch guten Patronen auf einen Haufen, der entmutigend klein war. Zwanzig. Davon würden einige mit ziemlicher Sicherheit nicht losgehen. Er konnte sich auf keine von ihnen verlassen. Er nahm die restlichen heraus und legte sie auf einen anderen Haufen. Siebenunddreißig.
    Nun, du warst sowieso nicht gut bestückt, dachte er, aber ihm war der Unterschied

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