Der dunkle Wächter
antworten, die von draußen mit mir sprach– die wunderbarste und gütigste Stimme, die ich jemals gehört habe. Eine Stimme, die die Dunkelheit vertrieb und die Angst eines armen verängstigten Kindes dahinschmelzen ließ wie Eis in der Sonne. Und wissen Sie was, Simone? Daniel Hoffmann nannte mich beim Namen.
Und ich öffnete ihm mein Herz. Plötzlich erfüllte ein wundervolles Licht den Keller, und Hoffmann erschien wie aus dem Nichts. Er trug einen strahlend weißen Anzug. Wenn Sie ihn gesehen hätten, Simone. Er war ein Engel, ein leibhaftiger Engel des Lichts. Ich habe noch nie jemanden gesehen, der eine solche Aura von Schönheit und Frieden verbreitete.
In jener Nacht unterhielten Daniel Hoffmann und ich uns ganz vertraut, so wie Sie und ich es jetzt tun. Ich brauchte ihm nicht von Gabriel und meinen übrigen Spielsachen zu erzählen; er wusste bereits Bescheid. Hoffmann war gut informiert, müssen Sie wissen. Er wusste auch von den Geschichten, die mir meine Mutter über den Schatten erzählt hatte. Er wusste alles darüber. Erleichtert gestand ich ihm, dass dieser Schatten mich wirklich geängstigt hatte. Sie können sich nicht vorstellen, wie viel Mitgefühl und Anteilnahme von diesem Mann ausgingen. Er hörte sich geduldig an, was mir widerfahren war, und ich konnte spüren, dass er an meinem Leid und meiner Angst teilhatte. Und insbesondere verstand er, was meine größte Angst war, mein schlimmster Alptraum: der Schatten. Mein eigener Schatten, dieser bösartige Geist, der mir überallhin folgte und der alles Böse auf sich vereinte, das ich in mir trug…
Es war Daniel Hoffmann, der mir erklärte, was ich tun sollte. Bis dahin hatte ich keine Ahnung, müssen Sie wissen. Was wusste ich schon über Schatten? Was wusste ich über diese geheimnisvollen Geister, die die Menschen in ihren Träumen heimsuchten und ihnen von der Zukunft und der Vergangenheit erzählten? Nichts.
Aber er wusste. Er wusste
alles
. Und er war bereit, mir zu helfen.
In jener Nacht offenbarte Daniel Hoffmann mir die Zukunft. Er sagte mir, dass ich auserwählt sei, ihm an die Spitze seines Imperiums nachzufolgen. Er erklärte mir, dass sein ganzes Wissen und seine ganze Kunst eines Tages mir gehören würden und die Welt aus Armut, die mich umgab, für immer verschwinden werde. Er gab mir eine Perspektive, von der ich niemals zu träumen gewagt hätte. Eine Zukunft. Ich wusste überhaupt nicht, was das war. Er ermöglichte sie mir. Ich musste nur eines dafür tun. Ein kleines, unbedeutendes Versprechen: ich musste ihm mein Herz schenken. Nur ihm und niemandem sonst.
Der Spielzeugfabrikant fragte mich, ob ich begriffe, was das bedeute. Ich bejahte, ohne einen Augenblick zu zögern. Natürlich konnte er mein Herz haben. Er war der einzige Mensch, der jemals gut zu mir gewesen war. Der einzige Mensch, dem ich etwas bedeutet hatte. Er sagte mir, wenn ich wolle, käme ich sehr bald fort und würde weder dieses Haus noch diesen Ort jemals wiedersehen, nicht einmal meine Mutter. Und das Wichtigste, ich bräuchte mich nie wieder wegen des Schattens zu sorgen. Wenn ich tun würde, was er von mir verlange, werde eine strahlende Zukunft vor mir liegen.
Er fragte mich, ob ich ihm vertraute. Ich bejahte. Daraufhin zog er einen kleinen Kristallflakon hervor, ähnlich jenen, in denen Sie Parfüm aufbewahren würden. Lächelnd öffnete er den Verschluss, und ich wurde Zeuge eines überwältigenden Schauspiels. Mein Schatten, mein Abbild an der Wand, verwandelte sich in einen tanzenden Fleck. Eine dunkle Wolke, die von dem Flakon aufgesogen wurde, für immer in seinem Inneren gefangen. Dann verschloss Daniel Hoffmann den Flakon und reichte ihn mir. Das Kristall war kalt wie Eis.
Er erklärte mir, dass ihm von nun an mein Herz gehöre und all meine Probleme bald, sehr bald, verschwunden sein würden. Falls ich meinen Schwur nicht bräche. Ich beteuerte, dass ich so etwas niemals tun würde. Er lächelte mir noch einmal freundlich zu und überreichte mir ein Geschenk. Ein Kaleidoskop. Dann forderte er mich auf, die Augen zu schließen und mit aller Kraft an das zu denken, was ich mir am meisten wünschte auf der Welt. Während ich das tat, beugte er sich zu mir herunter und küsste mich auf die Stirn. Als ich die Augen wieder öffnete, war er nicht mehr da.
Eine Woche später befreite mich die Polizei aus diesem Loch, alarmiert von einem unbekannten Informanten, der gemeldet hatte, was bei mir zu Hause vorging. Meine Mutter war tot…
Auf
Weitere Kostenlose Bücher